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©Ketterer Kunst
Dr. Agnes Thum: "Jedes Kunstwerk, das vor 1945 entstanden ist, wird vor der Aufnahme in den Auktionskatalog einem „Erstcheck“ unterzogen."
Provenienzforschung spielt im Kunsthandel eine bedeutende Rolle wie nie zuvor. Jedoch werden die Forschungsergebnisse aus diesem Kontext bisher selten in ihrer Breite und Tiefe sichtbar.
Wir trafen Dr. Agnes Thum, Leiterin der Provenienzforschung bei Ketterer Kunst zum Interview. In ihrer Abteilung arbeiten mittlerweile an die 10 Mitarbeiter. Das Münchner Auktionshaus hatte im Dezember das Sammelwerk »Provenienzforschung und Kunsthandel« veröffentlicht. Anlass war das 25-jährige Jubiläum der »Washingtoner Prinzipien« zum Umgang mit NS-Raubkunst. Zwischen Kunsthandel und Kunstwissenschaft herrscht ein spannungsreiches Verhältnis. Das Buch „sei auch ein Aufruf: für Transparenz, für Zusammenarbeit, und für ein gemeinsames Ziel“, so Peter Wehrle, Geschäftsführer von Ketterer Kunst und Herausgeber des Buches.
Das Buch ist als kostenfreier Download beim Ernest Rathenau Verlag verfügbar.
January 15, 2024
ART
Name: Dr. Agnes Thum
Beruf: Leiter der Provenienzforschung bei Ketterer Kunst
Ausbildung: Studium der Kunstgeschichte, Ethnologie und Neueren deutschen Literatur in München
"Für diese Situation haben die meisten privaten Eigentümer heute Verständnis. Und kein privater Eigentümer ist gezwungen, diese Form der Entschädigung zu zahlen."
Wie funktioniert die Provenienzforschungsabteilung im Hause Ketterer. Seit wann gibt es sie eigentlich?
Bei Ketterer Kunst gibt es seit 2014 eine feste, unbefristete Stelle für Provenienzforschung. In den letzten Jahren ist die Abteilung angewachsen, mittlerweile umfasst sie vier Festanstellungen ausschließlich für Provenienzforschung, eine anteilig als Provenienzforscherin tätige Mitarbeiterin und sechs freiberufliche Mitarbeiterinnen.
Jedes Kunstwerk, das vor 1945 entstanden ist, wird bei Ketterer Kunst vor der Aufnahme in den Auktionskatalog einem „Erstcheck“ unterzogen. Geprüft werden die Angaben der Einlieferer, Ausstellungen und Literatur, die Werkrückseite und die für die Provenienzforschung relevanten Datenbanken.
Wenn sich im Zuge dieses „Erstchecks“ ein Verdacht auf NS-verfolgungsbedingten Verlust herausstellt, wird das Werk in Absprache mit dem Eigentümer einer Tiefenrecherche unterzogen. Wird das Werk dabei entlastet, kann es ohne weitere Maßnahmen verkauft werden. Wenn sich dagegen herausstellt, dass es sich um NS-Raubkunst handelt, bieten wir dem Eigentümer aktive Problemlösung an. Das heißt, wenn der Eigentümer dies wünscht, ermitteln wir die berechtigten Erben und führen mit diesen Verhandlungen über eine Beteiligung am Auktionserlös. Dieser Service ist für den privaten Eigentümer bei uns kostenlos.
Sie führen aus, dass die „Washingtoner Prinzipien“ nur den Umgang mit staatlicher, aber nicht den privatwirtschaftlichen Umgang mit NS-Raubkunst regeln. Wie geht man mit dieser Situation um?
Die gegenwärtige Praxis im Kunsthandel, gerechte und faire Lösungen zwischen privaten Eigentümern und den Erben der geschädigten Alteigentümer zu vermitteln, findet auf rein freiwilliger Basis statt. Eine rechtliche Verpflichtung dazu gibt es nicht. Wohl ist der Kunsthandel aber durch das Kulturgutschutzgesetz zur Provenienzforschung verpflichtet.
Von moralischer Seite aus betrachtet sehen es die meisten privaten Eigentümer heute als richtig an, sich mit den Erben der jüdischen Geschädigten zu einigen. Zudem ist dies faktisch die einzige Möglichkeit, ein solches Werk auch im Kunsthandel zu verkaufen.
Jedoch wäre der deutsche Staat hier in der moralischen Folgepflicht, diese Kunstbesitzer, die in gutem Glauben und ohne Schuld an der früheren Verlustsituation Eigentum an einem Kunstwerk erworben haben, für ihr großes privatwirtschaftliches Engagement zu entschädigen. Diese moralische Verantwortung sollte der deutsche Staat 25 Jahre nach den Washingtoner Prinzipien anerkennen.
Wissen Sie, wie der Stand zum Restitutionsgesetz ist?
Es gibt wohl Gespräche, aber noch keine konkreten Ergebnisse.
Welches Maß an Verständnis bringen die Betroffenen eigentlich auf, schließlich ist es ein erheblicher finanzieller Verlust. "
Insgesamt haben die privaten Eigentümer heute meist Verständnis für diese Situation. Und kein privater Eigentümer wird zu dieser Form der Entschädigung gezwungen. Rechtlich gibt es dafür keine Notwendigkeit. Es ist den privaten Eigentümern aber bewusst, dass das betroffene Kunstwerk ohne eine solche Einigung faktisch im Handel unverkäuflich ist. Und wir beobachten durchschnittlich höhere Steigerungsraten bei Werken, die mit einer solchen Einigung verkauft werden.
"Hier hat sich die „gerechte und faire Lösung“ also für alle gelohnt."
Können Sie auch von konkreten Fällen berichten (ohne Namensnennung natürlich).
In diesem Jahr 2023 haben wir neun Fälle von NS-Raubkunst klären können. Besonders spannend war die Recherche an einem Werk von Franz von Stuck, „Künstlerfest“, das in der Sommerauktion bei Ketterer Kunst versteigert wurde. Nur über eine verblasste Nummer auf der Werkrückseite, mit bloßem Auge kaum mehr zu erkennen, kam man hier dem jüdischen Sammler auf die Spur. Der Frankfurter Industrielle Paul Metz hatte das Werk zu einem Schleuderpreis verkaufen müssen, kurz bevor er selbst deportiert und ermordet wurde.
Wir haben die Erben des Geschädigten ermittelt und eine „gerechte und faire Lösung“ zwischen diesen und dem privaten Eigentümer vermitteln können. In der Auktion steigerte sich das Werk von einem Schätzpreis von 30.000 Euro auf einen Erlös von fast 140.000 Euro. Hier hat sich die „gerechte und faire Lösung“ also für alle gelohnt: Für die Erben von Paul Metz, für den privaten Eigentümer und für uns als Gesellschaft.
Das Werk wurde von einem Museum angekauft und befindet sich nun in der Villa Stuck in München, so dass Paul Metz hier auch einen öffentlichen Erinnerungsort gefunden hat.
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