Ein aktuelles Thema in unserer Zeit: Dark Leadership. Die meisten von uns werden schon einmal einer dunklen Dark Leadership-Persönlichkeit begegnet sein. Menschen, die nicht umgänglich sind, kein Einfühlungsvermögen zeigen und extrem machtorientiert sind. Aber wie kann man sie erkennen? Sind sie eigentlich schlechte Führungskräfte? Und wie kann man Elon Musk einordnen; er, der wie ein Besessener arbeitet und dabei unglaublich erfolgreich ist? Seine Ex-Frau Justine Wilson schreibt in ihrem Buch über ihn: "Er macht, was er will, und er ist dabei gnadenlos. Das ist Elons Welt, und der Rest von uns lebt auch in ihr."

Wir führten ein Interview mit Theo Grassl, Universitätsdozent, Marketingexperte und derzeit Professor am IED (Instituto Europeo di Design) und Polimoda - beide in Florenz. Er ist zudem im Vorstand des Fashion Council Germany. Das Thema seines neuesten Vortrags lautet: "The Dark Side of Leadership Strength".

"Dark Leadership" bezeichnet laut Theo Grassl einen Führungsstil, der negative, oft destruktive Eigenschaften und Verhaltensweisen aufweist. Im Gegensatz zu positiven Führungsstilen, die auf ethischen Prinzipien, Transparenz und der Förderung des Gemeinwohls beruhen.

Die wichtigste Frage dürfte sein, wie man mit der Arbeit unter einer solchen Persönlichkeit umgehen kann? Und wie kann man in seinem Beruf aufsteigen und dabei ethisch bleiben?

17. November 2023

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Interview Directory 

IN FOCUS

Name: Theo Grassl

Beruf: Universitätsdozent, derzeit IED (Instituto Europeo di Design) und Polimoda, Vorstand des Fashion Council Germany

Wohnort: München

"Dark Leadership bezieht sich auf einen Führungsstil, der negative, oft destruktive Eigenschaften und Verhaltensweisen aufweist. Dieser Ansatz steht im Gegensatz zu den positiven Führungsstilen, die auf ethischen Grundsätzen, Transparenz und der Förderung des Gemeinwohls basieren."

Ist es Absicht oder Zufall, dass Sie gerade jetzt das Thema Dark Leadership

gewählt haben?

Weder noch. Ich beschäftige mich schon seit vielen Jahren mit der Psyche und dem damit verbundenen Verhalten von Führungskräften, insbesondere was den Spagat zwischen Empathie und Psychopathie betrifft. Hier ist jedoch die subklinische Psychopathie gemeint. Diese bezieht sich auf ein Muster von Persönlichkeitszügen und Verhaltensweisen, die denen einer klinischen Psychopathie ähneln, aber nicht so schwerwiegend sind, dass sie eine formale Diagnose rechtfertigen. 

Personen mit subklinischer Psychopathie zeigen oft einige, aber nicht alle Merkmale einer klinischen Psychopathie, wie z.B. den Mangel an Empathie und den damit verbundenen Schwierigkeiten, sich in andere hineinzuversetzen oder echte Anteilnahme zu zeigen. Und genau das stellt für viele Führungskräfte eine enorme Herausforderung dar. Einerseits wird von ihnen Einfühlungsvermögen gefordert – z.B. wenn es darum geht, Potenziale von Mitarbeiter:innen zu erkennen und sie entsprechend zu fördern. Diese Art von Führung konzentriert sich stark auf positive Veränderungen und die Entwicklung der Mitarbeiter:innen. Leider ist hier oft der Wunschtraum Vater des Gedankens. Wenn nämlich den Führungskräften andererseits ihre eigene Persönlichkeit „im Weg“ steht, weil diese eben nicht „lieb und nett“ ist, sondern eine stark ausgeprägte dunkle Seite hat, wird es schwierig. Dann sind wir bei „Dark Leadership“. 

Dark Leadership bezieht sich auf einen Führungsstil, der negative, oft destruktive Eigenschaften und Verhaltensweisen aufweist. Dieser Ansatz steht im Gegensatz zu den positiven Führungsstilen, die auf ethischen Grundsätzen, Transparenz und der Förderung des Gemeinwohls basieren. Diese Art der Führung kann negative Auswirkungen auf Mitarbeiter, Teams und die gesamte Organisation haben, einschließlich geringerer Mitarbeiterzufriedenheit, höherer Fluktuation und schlechterer Leistung. Ich bitte um Verzeihung, dass diese Antwort etwas ausführlicher ausgefallen ist. Mir war es wichtig, um das Prinzip Dark Leadership einordnen zu können.

"Bei Geschäftsführern, Vorständen, aber interessanterweise im mittleren Management wimmelt es davon."

Wie oft sind Sie in Ihrem Beruf mit Dark Leadership Persönlichkeiten konfrontiert

worden?

Sehr häufig, um nicht zu sagen permanent. Egal welche Branche, egal welche Größenordnung das Unternehmen hat. Begonnen haben meine Erfahrungen damit schon im Studium. Einige – oder sogar viele meiner Professoren wiesen Dark Leadership Merkmale auf, was ich natürlich erst im Nachhinein erklären konnte. Weiter ging es auf Agentur- bzw. Kundenseite. Bei Geschäftsführern, Vorständen, aber interessanterweise im mittleren Management wimmelt es davon.

"Narzissmus, Machiavellismus

und Psychopathie."

Und insbesondere, wie kann man beruflich unter einem Vorgesetzten überleben, der zur „Dark Triad“ gehört?

Um dies zu beantworten, möchte ich zunächst die „Dark Triad“ und den Zusammenhang zu Dark Leadership kurz erklären, da er von besonderem Interesse in der psychologischen und managementbezogenen Forschung ist. Die Dark Triad umfasst drei Persönlichkeitszüge: Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie. Diese Züge sind für ihre assoziierten negativen Eigenschaften wie Selbstzentrierung, Manipulation und Mangel an Empathie bekannt. In der Praxis kann Dark Leadership, das von diesen Dark Triad-Zügen beeinflusst wird, zu einer Reihe negativer Ergebnisse führen, wie z.B. toxische Arbeitsumgebungen, niedrige Mitarbeitermoral, unethisches Verhalten und schlechte Organisationsleistung. Während einzelne Züge der Dark Triad in manchen Situationen kurzfristige Vorteile bringen können (z.B. aggressives Verhandeln durch einen psychopathischen Zug), sind die langfristigen negativen Auswirkungen auf die Organisation und ihre Mitglieder oft erheblich und nachteilig. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jeder mit Dark Triad-Zügen zwangsläufig ein Dark Leader wird. Der Kontext, die Situation und andere moderierende Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle in der Ausprägung dieser Eigenschaften in Führungsverhalten.

Die Frage, wie ich als Mitarbeiter:in „überleben“ kann, kann leider nicht pauschal beantwortet werden, dafür spielen zu viele beeinflussende Faktoren eine Rolle. Es gibt jedoch einige Empfehlungen, was Betroffene machen können:

- Persönliche Grenzen setzen - sich vor ausnutzendem Verhalten zu schützen.

- Emotionale Distanz wahren – wenn möglich vermeiden, sich emotional in Konflikte verwickeln zu lassen.

- Vorfälle dokumentieren - unangemessenes Verhalten der Führungskraft schriftlich festhalten.

- Klare Kommunikation - direkt und vor allem sachlich kommunizieren.

- Internes Netzwerk aufbauen - Unterstützung bei vertrauenswürdigen Kolleg:innen suchen..

- Und als letzte Konsequenz: Karriereoptionen evaluieren. Sich zu überlegen, ob ein Arbeitsplatzwechsel notwendig ist.

Was ist für Sie ein guter Führungsstil?

Ein guter Führungsstil zeichnet sich für mich durch mehrere Schlüsseleigenschaften aus, die sowohl die Bedürfnisse der Mitarbeiter als auch die Ziele des Unternehmens unterstützen. Dazu gehören Empathie und Kommunikationsfähigkeit genauso wie Integrität, Flexibilität, Motivation und Inspiration. Und vor allem, dass er eine Fehlerkultur beinhaltet. Wo Menschen arbeiten, werden Fehler gemacht.

In Krisenzeiten suchen Menschen oft nach Individuen mit einem visionären Charisma. Sie geben Hoffnung, inspirieren, mobilisieren, schaffen Vertrauen."

In der heutigen Welt mit all den Krisen, seien es Krisen in Unternehmen aufgrund der Auswirkungen des Coronavirus und dann der Krieg in der Ukraine. Oder jetzt die aktuelle Krise in Gaza. Wer ist für Sie eine Führungspersönlichkeit?

Ich tu mich ehrlich gesagt schwer, hier einen konkreten Namen zu nennen – nicht, weil ich das nicht möchte, sondern weil mir im Kontext globaler oder lokaler Krisen und Konflikten niemand einfällt, die ich als Führungspersönlichkeit bezeichnen würde. Vielmehr sind es Menschen wie du und ich – im übertragenen Sinne - die im Rahmen ihrer Möglichkeiten und in ihrem Umfeld mit Einfühlungsvermögen, klarem Verstand und nicht pauschal verurteilend agieren. In Krisenzeiten suchen Menschen oft nach Individuen mit einem visionären Charisma. Sie geben Hoffnung, inspirieren, mobilisieren, schaffen Vertrauen. Zugegebenermaßen eine sehr seltene Spezies, leider.

Warum haben Sie Elon Musk in die Dark Triad aufgenommen? Er hat einen großen Beitrag zur Gewährleistung der Meinungsfreiheit geleistet, indem er z. B. Twitter/X gekauft hat.

Lach, ich wusste, dass diese Frage kommt. Ob Elon Musk durch den Kauf von Twitter / X wirklich einen Beitrag zur Meinungsfreiheit geleistet hat, weiß ich noch nicht so recht. Warum ich ihn aufgenommen habe: Elon Musk ist zwar für seine ambitionierten Visionen und seine risikofreudigen Unternehmungen bekannt, aber auch für seinen kompromisslosen Führungsstil. Es soll auch bekannt sein, dass er seine Mitarbeitenden schlecht behandelt, sie bis zur totalen Erschöpfung schuften lässt, keine Gewerkschaft in seinen Fabriken duldet. Und «wer Tippfehler in E-Mails macht oder zu lange nichts „Fantastisches leistet“ – der fliegt, schreibt der amerikanische Journalist Ashlee Vanc in der autorisierten Biografie über Musk.  Und seine Exfrau Justine Wilson schreibt in ihrem Buch über ihn: «Er tut, was er will, und dabei ist er gnadenlos. Es ist Elons Welt, und der Rest von uns lebt auch darin. Er behandelte mich wie seine Angestellte." 

Ob das alles objektiv ist, und auch wirklich so stimmt, weiß ich nicht, und kann durchaus bezweifelt werden. Nichtsdestotrotz erreicht man nicht das, was Elon Musk erreicht hat, ohne eine gehörige Portion Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie.

Können Sie bitte auch das Zitat von General Norman Schwarzkopf ais Ihrem Vortrag erklären?

Das Zitat von Norman Schwarzkopf, „Leadership is a potent combination of strategy and character. But if you must be without one, be without the strategy”, betont die Wichtigkeit von Charakter und persönlichen Eigenschaften in der Führung. Es sagt aus, dass eine starke Strategie zwar wichtig ist, aber der Charakter einer Führungspersönlichkeit letztendlich entscheidender ist. Es impliziert, dass Führungskräfte ohne Integrität, Ehrlichkeit, Mut und andere positive Charaktereigenschaften letztendlich scheitern werden, egal wie klug oder detailliert ihre Strategie auch sein mag. Charakter definiert, wie man Herausforderungen begegnet, wie man mit anderen umgeht und wie man Entscheidungen trifft, was im Kern das Wesen effektiver Führung ausmacht.

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