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Alexandra Pfruender: „Der „Anti-Paparazzo“: Man hat das Gefuehl, dass mein Papa genau wusste, was er tut.“

©Paolo Costa bei der Arbeit ©Archivio Paolo Costa


Alexandra Pfründer: „Der „Anti-Paparazzo“: Man hat das Gefühl, dass mein Papa genau wusste, was er tut.“

Düsseldorf beherbergt das Archiv des italienischen Fotografen Paolo Costa, einem der wichtigsten Chronisten des „Dolce Vita“ in Rom. Dies ist seiner Tochter Alexandra Pfründer zu verdanken, die hier lebt und arbeitet und den Nachlass unter dem Namen Archivio Palo Costa verwaltet. Als ihre Mutter vor zwei Jahren starb, wurde der Entschluss gefasst, das umfangreiche Werk ihres Vaters einem internationalen Publikum bekannt zu machen und dem Namen ihres Vaters einen Platz in der internationalen Kunstwelt zu geben.


Eine anspruchsvolle Aufgabe, denn das Werk musste digitalisiert, ein Atelier angemietet und ein renommierter Galerist gefunden werden. Bis heute stößt Alexandra Pfründer immer wieder auf Fotos, die ihr unbekannt sind. Hier in Düsseldorf arbeitet sie nun mit der Galerie Noir Blanche zusammen, die sich auf Fotokunst spezialisiert hat.


Paolo Costa wurde 1917 in Lugo di Ravenna, Italien, geboren. Er studierte Politikwissenschaft und Philosophie an den Universitäten von Bologna und Venedig. Er arbeitete zunächst zehn Jahre lang als Journalist, bevor er 1951 mit der Fotografie begann. Einige seiner ersten Fotos, die er auf Sardinien in einem von Banditen beherrschten Gebiet machte, wurden von der amerikanischen Zeitschrift LIFE veröffentlicht. Heute ist er jedoch eher für seine Prominentenfotos bekannt, darunter weltberühmte Aufnahmen von Claudia Cardinale, Brigit Bardot, Britt Ekland, Maria Callas, aber auch Federico Fellini, Luciano Pavarotti und vielen anderen. Eines der beliebtesten zeigt Sophia Loren und Marcello Mastroianni in einem Cabrio und stammt aus einer Filmszene des Films "Yesterday, Today And Tomorrow" vom italienischen Regisseurs Vittorio De Sica.

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8. Juni 2024

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Interview Directory 

DÜSSELDORF/ART

Name: Alexandra Pfründer

Wohnort: Düsseldorf

Sophia Loren und Marcello Mastroianni ©Archivio Paolo Costa

Können Sie den Lesern kurz den beruflichen Werdegang Ihres Vaters Paolo Costa beschreiben? Es heißt, er sei auf der Flucht vor den deutschen und italienischen Faschisten gewesen?


Mein Vater Paolo Costa wurde 1917 in Italien in der Provinz von Ravenna (Emilia Romagna) geboren und studierte an den Universitäten von Bologna und Venedig Politikwissenschaften und Philosophie. Im Krieg, erzählte mir meine Mutter, sei er aufgrund seiner Anhängerschaft bei den damals in der Emilia Romagna agierenden Partisanen in Gefahr geraten und musste mit dem Fahrrad nach San Marino fliehen, einer kleinen Republik in Mitten der Emilia Romagna, heute ein Touristenmagnet, damals neutrales Aufnahmeland vieler Geflüchteter. Ich kann mich erinnern, dass wir später, als ich noch klein war, zusammen nach San Marino gefahren sind und der Ort für mich immer etwas sehr besonderes hatte, auch wenn er heute ziemlich touristisch ist ;-). Nach zehnjähriger Arbeit als Journalist, u.a. auch als Sportberichterstatter, begann er 1951 seine Laufbahn als Fotograf. Zwei Jahre lang bestand seine Arbeit hauptsächlich aus Fotodokumentationen über das Leben im italienischen Süden, die fast überall auf der Welt publiziert wurden; ferner arbeitete er als Sportreporter. Ab 1953 hielt mein Vater sich längere Zeit in Rom auf, wohin er später, Mailand den Rücken kehrend, seinen Wohnsitz verlegte. Dort begegnete er auch Sophia Loren.


Nach und nach ließen sich immer mehr prominente Persönlichkeiten von ihm fotografieren. Dazu gehörten neben Sophia Loren auch andere Stars des (italienischen) Kinos, wie z.B.: Gina Lollobrigida, Anna Magnani, Brigitte Bardot und viele weitere bekannte Persönlichkeiten wie z.B.: Simone Signoret, Yves Montand, Louis Armstrong oder die Regisseure Federico Fellini und Luchino Visconti etc.


Einen Namen machte sich mein Vater auch als Talentsucher. Er entdeckte und förderte eine Reihe von Schauspielerinnen wie z.B. Daliah Lavi, Sandra Milo, Ursula Andress, Britt Ekland etc. Auch die Sängerin Amanda Lear verdankt ihre ersten bekannten Portraits und Titelbilder dem Objektiv meines Vaters. Weltweit wurden 550 von ihm fotografierte Titelbilder veröffentlicht, davon allein 170 in Deutschland, dem Land, in dem er als Starfotograf selbst, wenn auch nur für kurze Zeit, zum Star wurde, z.B. durch die ,,Neue Revue"-Aktion „Deutschlands schöne Frauen". 


„In einem Bericht der Tagesschau von RAI Uno wurde Costa als einer der besten Fotografen Europas vorgestellt.“


Letztendlich machte er Werbung und Promotion für große Unternehmen, u.a. für ESSO, BMW, Olivetti, Fiat, DAF und Renault. Im Bereich der Mode arbeitete er für Emilio Pucci, Piccini, Heinz Oestergaard, Magli etc. 1973 verlegte Costa seinen Wohnsitz nach München und heiratete 1976 eine deutsche Kommunikationswissenschaftlerin. Ein Jahr davor, 1975, wurde ich als seine einzige Tochter geboren. Eine Fotoausstellung des Autodidakten im Mai 1979 in Riccione (Italien) fand bei der italienischen Presse große Beachtung. In einem Bericht der Tagesschau von RAI Uno wurde Costa als einer der besten Fotografen Europas vorgestellt. 1981 starb Paolo Costa in Grünwald bei München und geriet in Vergessenheit. Im Jahr 2022 habe ich, nach dem Versterben meiner Mutter, das Archiv geerbt. 

Maria Callas und Giuseppe di Stefano ©Archivio Paolo Costa

Ich habe gelesen, dass Ihr Vater preisgekrönte politische und soziale Reportagen gemacht hat, bevor er Celebrities fotografiert hat?


Die Fotodokumentationen über das Leben im italienischen Süden wurden fast überall auf der Welt veröffentlicht (siehe oben). Einige seiner allerersten Aufnahmen, die er auf Sardinien in einem von Banditen beherrschten Gebiet machte, wurden von der amerikanischen Zeitschrift LIFE veröffentlicht. Mehr habe ich dazu leider noch nicht herausgefunden, aber es muss da viel mehr gegeben haben. Er hat auch Persönlichkeiten aus Politik und Adel fotografiert, war bei großen Ereignissen, z.B. den Beerdigungen zweier Päpste vor Ort. Auch dazu hat er Reportagen erstellt. Ich finde gerade eine interessante Arbeit nach der anderen und ich glaube, es gibt da noch mehr zu entdecken. 


Der „Anti-Paparazzo“. „Er hat die Menschen nie unvorteilhaft oder gar in peinlicher Pose aufgenommen, nie!“


Seine Fotos sollen immer in einem professionellen Rahmen aufgenommen worden sein?


Mein Vater hat viel im privaten Umfeld und in privaten Räumlichkeiten der Persönlichkeiten fotografiert, z.B. Sophia Loren in ihrer Wohnung in Rom, Claudia Cardinale in ihrer Küche etc. Zudem war er an Filmsets zugegen, hat die Stars auf Reisen begleitet und hatte später auch in Deutschland ein eigenes Studio und eine Dunkelkammer; an die letzten beiden Räume kann ich mich noch ein ganz kleines bisschen erinnern. Man darf nicht vergessen, ich war 6 Jahre alt, als er verstorben ist. Die Aufnahmen wirken teils fast intim, sind aber, wenn man genau hinsieht, hochprofessionell. Man hat das Gefühl, dass mein Papa genau wusste, was er tut. Ein Autor nannte ihn mal den "Anti-Paparazzo", das klingt auf den ersten Blick streng, aber ist, wenn man die Fotos ansieht, positiv, denn er hat die Menschen nie unvorteilhaft oder gar in peinlicher Pose aufgenommen, nie! Ich finde auch keine "schlechten" Aufnahmen auf den Kontaktabzügen unveröffentlichter Fotografien. Trotzdem wirken die Fotos natürlich und nicht gestellt. 

Anita Ekberg ©Archivio Paolo Costa

Brigitte Bardot ©Archivio Paolo Costa

Können Sie den Lesern ein paar Geschichten aus der Zeit des Dolce Vita in Rom erzählen? Vielleicht etwas über Ihre Familiengeschichte und wie Sie nach Düsseldorf gekommen sind? Wie ist es für Sie emotional, sich jeden Tag mit dem Werk Ihres Vaters auseinanderzusetzen?


Für die Dolce Vita in Rom, so wie mein Vater sie erlebt hat, bin ich leider zu "jung" ;-) bzw. habe ich diese nicht gemeinsam mit meinem Vater erlebt und er konnte mir davon nicht erzählen, weil ich zu klein war. Aber wer den Instagram Account, den ich für meinen Vater unter @archiviopaolocosta eingerichtet habe, verfolgt, hat vielleicht gesehen, dass ich immer wieder auf Entdeckungsreise an den Orten, an welchen mein Vater zugegen war, gehe. Mein Vater hat meine Mutter erst in München kennengelernt. Er hatte dort ein Büro und meine Mutter hat bei ihm einen Studentenjob angefangen. So haben die Beiden sich verliebt. Meine Mutter war 29 Jahre jünger als mein Vater. 1975 wurde ich geboren und wir hatten noch ein paar aufregende Jahre mit vielen Reisen zwischen Deutschland und Italien, an die ich mich zwar kaum erinnere, meine Mutter mir aber viel davon erzählt hat. Ein spannendes Phänomen ist, dass ich mich an die italienische Sprache erinnere, zwar inzwischen mit hörbaren Lücken, aber doch so, dass ich mich gut unterhalten kann, ohne diese jemals bewusst oder mit Erinnerung daran gelernt zu haben. Meine Eltern haben in beiden Sprachen mit mir gesprochen, aber natürlich erinnere ich mich nicht daran, aber die Sprache ist mir, so wie das Archiv, geblieben.


Um so schwerer war es für meine Mutter, als mein Vater krank wurde, seine Arbeit mehr und mehr zur Nebensache wurde und er 1981 in unserem Haus in Grünwald bei München starb. Vor seiner Erkrankung hatte er sich noch mit einem Geschäftspartner in München an einem Restaurant beteiligt, aber das ging nicht lange gut. Die Krankheit hat ihn Stück für Stück an seinem gewohnten Leben gehindert, er durfte nicht einmal mehr seine geliebte Pasta essen (mein Vater war auch ein sehr guter Koch). Ich erinnere mich noch daran, dass ich immer einen Calzone haben wollte, wenn mein Vater Pizza für uns gemacht hat; das ist eine gefaltete Pizzatasche - Calzone heißt auf Deutsch Hose. 


Nach seinem Tod veränderte sich unser Leben radikal. Meine Mutter wurde nie mehr die "alte" und die Zeit des Glamours und der gemeinsamen Reisen war vorbei. Das Leben wurde hart. Das Archiv meines Vaters lag brach und meine Mutter hatte nicht die Kraft, sich seinem Lebenswerk zu widmen. Ich selbst musste schnell auf eigenen Beinen stehen und habe die Fotografien meines Vaters regelrecht aus meinem Kopf verbannt. Natürlich waren sie da und das war mir bewusst, aber für mich ging es erstmal darum, mir ein Leben aufzubauen. Ich habe studiert, BWL und später Soziale Arbeit, habe geheiratet, einen Sohn bekommen und 2010 bekam mein Mann ein Jobangebot in Düsseldorf. Dann sind mein Sohn und ich 2011 nach Düsseldorf nachgekommen und seitdem leben wir hier. 2022 starb meine Mutter und ich habe das Archiv meines Vaters komplett übernommen. Mir war sofort klar, jetzt muss ich den Schatz bergen, das bin ich den beiden schuldig; jetzt gibt es kein Zurück mehr! Am Anfang war das sehr hart für mich, weil ich mich ja mit der Vergangenheit beschäftigen musste und auch damit, die letzte in der Familie "Costa" zu sein. Ich war traurig, besonders wenn ich Familienfotos gefunden habe, aber inzwischen gehe ich in der Aufgabe auf. Ich arbeite an einer Homepage, pflege den Instagram-Account @archiviopaolocosta und habe eine erste Zusammenarbeit mit der Galerie noir blanche und plane eine Ausstellung in Augsburg (Start ist am 14. April 24) in der Galerie Süßkind, die eine Schulfreundin von mir leitet und wir immer schon von diesem Projekt geträumt haben. 

Manchmal ist die Beschäftigung mit dem Nachlass meines Vaters nicht einfach für mich, vor allem detaillierte Fragen kosten mich immer ein wenig Überwindung, aber es hilft mir auch, Vergangenes zu bearbeiten. 


"Experimentell mit der Körnung und Belichtung, ausdrucksstark und zurückhaltend zugleich."


Wie würden Sie den künstlerischen Stil Ihres Vaters beschreiben?


Wie beschrieben, sehr intim, sehr nah an den Menschen. Experimentell mit der Körnung und Belichtung, ausdrucksstark und zurückhaltend zugleich. Gleichzeitig forsch, was man zum Beispiel an Aufnahmen von Claudia Cardinale sehen kann, die echt unkompliziert zu sein schien, und vielleicht auch noch ist, und jeden Spaß mitgemacht hat. Dann gibt es da noch die vielen Titelfotos von Zeitschriften, die ich nach und nach finde. Die richten sich natürlich auch am Zeitgeist aus, aber die Motive wirken auch frech und selbstbewusst. 


Wissen Sie, ob er einen Menschen besonders gerne fotografierte?


Ich glaube, er war sehr professionell, wusste, was sich gehört und hat deswegen auch nicht nur nach Präferenzen fotografiert. Gleichzeitig kann ich anhand der Menge der Vintage Prints, Dias und Negative im Archiv eine klare Tendenz erkennen, die vor allem in den früheren Jahren eindeutig in Richtung Sophia Loren, Claudia Cardinale und Gina Lollobrigida weist, aber durchaus auch andere Stars, wie z.B. Jacqueline Sassard, von der ich unzählbar viele Dias gefunden habe, oder Anita Ekberg mit einbezieht. Aber auch Fotografien zu seinen Dokumentationen sind in großer Menge vorhanden, das scheint er geliebt zu haben!


Was sind Ihre Pläne für Archivio Paolo Costa? Haben Sie technische und auch legale Herausforderungen? Können Sie uns auch etwas über Noir Blanche erzählen?


Oh ja, da könnte ich jetzt ausschweifen! Da gibt es so viele Herausforderungen. Ich muss mich um die Wahrung der Urheberrechte, die auf mich übergegangen sind, bemühen, gleichzeitig möchte ich das Material natürlich zeigen, ein schmaler Grad! Sie wissen, wie das ist im World Wide Web, aber ich gehe gravierenden Urheberrechtsverletzungen mit der Hilfe einer renommierten Anwaltskanzlei nach. Die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Personen sind ein geringeres Problem, denn man sieht, dass sie von meinem Vater fotografiert werden wollten, ihn zu sich bestellt haben und er keine Paparazzi Fotografie gemacht hat. 


Technisch fordert mich das Digitalisieren und die Bearbeitung der Bilddateien heraus. Aber dafür habe ich inzwischen ein paar sehr gute und verlässliche Geschäftspartner:innen gefunden, die mich mit hervorragender Arbeit unterstützen. Das sind natürlich alles hohe Kosten und daher hoffe ich, dass ich auch ein paar Motive verkaufen werde ;-). Die ersten Fotografien wurden bereits in der Galerie noire blanche von Sammlern und Liebhaber:innen der klassischen Fotografie erworben, aber wir sind erst am Anfang unserer Zusammenarbeit, das muss noch wachsen. 


Haben Sie Ambitionen, selbst als Fotografin zu arbeiten?


Nein! Da möchte ich immer fragen, warum sollte ich, ich bin völlig untalentiert ;-). Aber das weiß ich natürlich gar nicht. Heutzutage fotografiert jeder und keiner. Manch ein Laie sticht dabei heraus und kann es gut mit den Profis aufnehmen. Aber eben auch nicht jeder, der denkt, er könne super fotografieren, kann es auch. Ich muss mich da nicht einreihen, nur weil ich einen hochtalentierten Vater hatte. Ich habe andere Talente, die ich in die Tat umsetzen kann. Zudem bin ich Perfektionistin, ich würde es dann richtig lernen wollen, analog und digital, das ist heute gar mehr nicht so einfach, da eine/n gute/n Lehrmeister/in zu finden. An die großen Stars kommt man auch nicht mehr so schnall dran, das stelle ich mir heutzutage echt schwierig vor. Ich bin total zufrieden mit dem, was ich erreicht habe, da genügt es mir, ein paar nette Urlaubsfotos und Schnappschüsse zu schießen. Aber zum Abschluss noch eine kleine Anekdote: ich kneife beim Fotografieren ein Auge zu - genau das hat mein Vater auch getan! Das habe ich von ihm geerbt! Vielen Dank, dass Sie mich interviewt haben :-)!

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Sophia Loren ©Archivio Paolo Costa

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