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Dr. Jan-Niclas Gesenhues: „Investitionen in die Natur sind Investitionen in unseren Wohlstand."

Naturpark Schwarzwald, Hochmoor Gernsbach ©Kay Dittner


Dr. Jan-Niclas Gesenhues: „Investitionen in die Natur sind Investitionen in unseren Wohlstand."

Naturschutz bedeutet nicht, Opfer zu bringen: Dr. Jan-Niclas Gesenhues, Bundestagsabgeordneter der Grünen, hat sein neues Buch veröffentlicht: „Offensiver Umweltschutz - Wie wir Natur und Wohlstand retten können". Der Parlamentarischer Staatssekretär für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz sieht sich als Vorreiter des sogenannten offensiven Umweltschutzes, mit dem er Neues schaffen will - für Natur und Umwelt. Besonderes Augenmerk legt er dabei auf die Renaturierung von Mooren, Flüssen und Wäldern und nennt konkrete Vorreiter wie Indonesien als Beispiel für Moorschutz.


Die Klimaziele können laut Dr. Gesenhues nicht mehr nur mit technischen Lösungen erreicht werden, sondern ausschließlich mit kohlenstoffspeichernden Ökosystemen. Auch internationale Partnerschaften sind für ihn sehr wichtig, denn Natur- und Klimaschutz macht nicht an nationalen Grenzen halt. Ein mit viel Sachverstand, Positivismus und Leidenschaft geschriebenes Buch, das Lust macht, wieder in die Natur zu gehen.

5. Juni 2024

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BOOKS/ENVIRONMENT

Name: Dr. Jan-Niclas Gesenhues

Beruf: Parlamentarischer Staatssekretär für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz

AM: Herr Dr. Gesenhues, wann ist Naturschutz offensiv?


Dr. Jan-Niclas Gesenhues:Es geht nicht darum, Abwehrgefechte zu führen, sondern aktiv etwas Neues zu schaffen. Naturschutz wird zu oft mit Verzicht in Verbindung gebracht. Wer aber zum Beispiel ein Moor wiedervernässt oder ein Flussufer renaturiert, hat viel gewonnen: bessere Böden, sauberes Wasser oder einen Schutzschild gegen Überschwemmungen. Die Natur ist unsere beste Verbündete.

 

Was macht einen guten Politiker aus?


Ein Politiker muss sich für ein Thema begeistern und es gestalten wollen. Aber man muss auch in der Lage sein, über die eigenen Interessen hinauszugehen und Bündnisse im Sinne der Sache zu bilden. Nur in dieser Kombination kann Politik erfolgreich sein.

 

Welche Ambitionen haben Sie?


Meine jetzige Position als Parlamentarischer Staatssekretär ist eine große Chance, konkrete Veränderungen für den Natur-, Klima- und Verbraucherschutz zu erreichen, die den Alltag vieler Menschen verbessern. In jeder Position, die ich bisher innehatte, habe ich versucht, meine Arbeit gut zu machen und den Rest auf mich zukommen zu lassen. Ich bin in die Politik gegangen, um die Natur als Grundlage unserer Existenz zu schützen, und das wird immer die zentrale Rolle spielen.

 

"Das Schöne am Umweltschutz ist, dass man sowohl einen progressiven als auch einen konservativen Ansatz haben kann, wie mein Großvater."

 

Wer war Ihr Vorbild für diesen Lebensweg?


Mein Opa hat mich immer ins Moor und in den Wald mitgenommen und mir Tiere und

Pflanzen erklärt. Er war derjenige, der in mir den Funken für den Umwelt- und

Naturschutz entzündet hat. Durch ihn habe ich den Wert der Schönheit der Natur erkannt, und das hat mich mein Leben lang geprägt. Mein Großvater war allerdings kein revolutionärer „Öko“, sondern ein erdverbundener Konservativer, der sich für Jagd und Landwirtschaft interessierte. Anfangs war er nicht begeistert, dass ich zu den Grünen ging, hat aber später damit seinen Frieden gemacht. Ich glaube, er hat sogar mal bei einer Kreistagswahl für mich gestimmt. Das Schöne am Umweltschutz ist, dass man sowohl einen progressiven als auch einen konservativen Ansatz haben kann, genau wie ich und mein Großvater.

 

„Eine globale Krise kann nur mit globaler Zusammenarbeit bewältigt werden."

 

Welche Rolle spielt Deutschland im globalen Umweltschutz und welche Rolle sollten wir spielen?

Deutschland hat eine wichtige Verantwortung und muss seine Hausaufgaben im Umwelt- und Naturschutz machen. Wir selbst haben in den letzten Jahrzehnten die Klimakrise angeheizt und wichtige Lebensräume zerstört. Es ist nicht hinnehmbar, dass 80 % unserer Ökosysteme in keinem guten Zustand sind, wir müssen jetzt in die Heilung der Natur investieren. Mit dem Weltnaturabkommen und dem UN-Hochseeschutzabkommen (Biodiversity Beyond National Jurisdiction, BBNJ – Anmkg. D. Red.) haben wir große Erfolge erzielt. Auch um unsere internationale Glaubwürdigkeit zu wahren, sollten wir diese Abkommen jetzt schnell umsetzen. Derzeit verhandeln wir außerdem ein internationales Abkommen gegen Plastikmüll. Eine globale Krise kann nur mit globaler Zusammenarbeit bewältigt werden. Deshalb sollte Deutschland auch Naturschutzpartnerschaften mit Ländern des Globalen Südens ausbauen. Sie sind Hotspots der ökologischen Vielfalt, mit artenreichen

Ökosystemen wie Korallenriffen oder Regenwäldern.

 

„Wir können auch von anderen Ländern in Bezug auf ihren Naturschutz lernen.“

 

Um diesen Schatz zu bewahren, sollten wir die Länder sowohl finanziell unterstützen als auch gemeinsame Aktionspläne und nationale Naturschutzstrategien erarbeiten. Aber auch wir können von anderen Ländern lernen, was ihren Naturschutz, die Landnutzung und den Artenschutz angeht.

 

Zu welchen Ländern schauen Sie in dieser Hinsicht auf?


Wir haben erste Pilotprojekte für globale Naturschutzpartnerschaften, beispielsweise mit Kolumbien. Ich selbst habe lange Zeit in Mosambik gearbeitet. Dort gibt es Projekte zur Wiederansiedlung von Wildtieren, zum Schutz von Trockenwäldern und auch von Korallenriffen. Für den Klimaschutz ist es sehr wichtig, dass wir Moore, Feuchtgebiete und Mangrovenwälder renaturieren. Mit technischen Lösungen allein werden wir unsere Klimaziele nie erreichen, denn wir brauchen Ökosysteme, die Kohlenstoff speichern. Hier in Deutschland haben wir über 90 Prozent unserer Moore zerstört, was zu 50 Millionen Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr führt - das sind 7 Prozent der deutschen Emissionen.


Deshalb lohnt sich ein Blick nach Indonesien, denn dort gibt es viele sehr gut gemachte Projekte zur Renaturierung von Mooren, um das Klima zu stabilisieren und damit gleichzeitig zum Artenschutz beizutragen. Moore können Superhelden des Klimaschutzes sein, sie speichern weltweit sogar mehr CO2 als alle Wälder zusammen.

 

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass die heutige Umweltbewegung kein Kompetenzproblem hat, sondern ein Machtproblem.


Wissenschaftliche Studien des Weltklimarates (Intergovernmental Panel on Climate

Change) und des Welt-Biodiversitätsrates (IPBES) haben gezeigt, dass wir die ökologischen Grenzen der Erde massiv überschreiten. Das Weltwirtschaftsforum zählt die ökologischen Herausforderungen zu den 10 größten Risiken für unsere Wirtschaft. Umweltthemen sollten also ganz oben auf der politischen Agenda stehen. Deshalb ist es wichtig, durch eine aktive Umweltbewegung Druck aufzubauen. Gleichzeitig braucht es auch Wissen und die nötigen Mehrheiten, zum Beispiel auf europäischer Ebene, wo der Green Deal leider unter Beschuss geraten ist. Die Europawahl am 9. Juni ist deshalb auch enorm wichtig für die Zukunft unserer Natur und unserer Lebensgrundlagen.

 

"Investitionen in die Natur sind Investitionen in unseren Wohlstand."

 

Können Sie Ihre Forderungen zusammenfassen?


In Zeiten von Populismus und Energiekrise brauchen wir einen offensiven Umweltschutz, der nicht nur das Bestehende verteidigt, sondern aktiv gestaltet: Die Wiederherstellung der Natur, auch mit überraschenden Verbündeten wie Unternehmen, Verbänden und der Landwirtschaft. Es geht um die Grundlage unseres Wohlstandes. So sind beispielsweise 70 % der Unternehmen in der Eurozone auf die Leistungen der Natur angewiesen. Investitionen in die Natur sind also Investitionen in unseren Wohlstand.

 

Wann wird das Renaturierungsgesetz Ihrer Meinung nach in der Bundesgesetzgebung verankert werden?


Das europäische Renaturierungsgesetz wird derzeit noch im Europäischen Umweltrat verhandelt und wir arbeiten für eine Mehrheit.

 

Was halten Sie von den Klimaaktivisten und wie sollte eine junge Bewegung anstelle der Klimaaktivisten aussehen?


Wir brauchen einen Klima- und Umweltaktivismus, der breite Bündnisse schmiedet. Einen, der es schafft, die Mitte der Gesellschaft zu erreichen und viele verschiedene Verbündete zu gewinnen. Wir brauchen junge Menschen, die über soziale Netzwerke neue Zielgruppen erreichen können. Es gibt Naturschutz-Influencer, die Bewegung für das Europäische Naturschutzgesetz, Fridays For Future, die vor allem von jungen Frauen getragen wird. Diese jungen Menschen leisten einen wichtigen Beitrag, um offensiven Umweltschutz voranzubringen.

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