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Dr. Katrin Schuhen: „Sauberes Wasser ist ein Menschenrecht und kein Wirtschaftsgut.“

Dr. Katrin Schuhen:  „Sauberes Wasser ist ein Menschenrecht und kein Wirtschaftsgut.“

Manche Erfindungen sind so bahnbrechend, aber wie können möglichst viele Menschen von ihnen profitieren? Darüber hat sich die Chemikerin Dr. Katrin Schuhen Gedanken gemacht, als sie bei ihrer Forschung eine Methode zum Nachweis von Mikroplastik im Wasser entdeckte. Das Verfahren, auf dem Wasser 3.0, wie sie ihre Erfindung nennt, basiert, hat sie als Open-Source-Patent der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. Sauberes Wasser sei ein öffentliches Recht, und sie habe sich bewusst für die Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH entschieden, um ihre Erfindung so vielen Menschen wie möglich zugänglich zu machen.


Die Erfindung der „Rebellin des Wassers“, wie sie in der Branche genannt wird, ist eine mehrdimensionale Lösung für Wasser ohne Mikroplastik und ist, wie die Wissenschaftlerin erklärt, schneller als bisherige Methoden. Grob gesagt, wird das Plastik im Wasser verklumpt und die Klumpen können dann abgeschöpft werden. Das große Dilemma bei Mikroplastik ist laut Dr. Schuhen, dass es in Deutschland noch keine Grenzwerte gibt und deshalb das Handeln nicht forciert würde. Statt mit großem Aufwand Plastik aus dem Meer zu fischen, solle man diese Energie in unser Grundwasser leiten und direkt für saubere Anlagen und vor allem für die Industrie einsetzen. Die Verschmutzungswerte reichten von 1000 Partikeln pro Liter im Wasser aus der Kläranlage.


Das Wasser 3.0 Konzept von Dr. Schuhen wird derzeit im Rahmen einer EU-Initiative in mehreren Ländern erprobt, darunter Italien, Griechenland und Slowenien. In Deutschland sei noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, aber die ersten Wasser 3.0-Projekte laufen auf einer Kläranlage in Landau.

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28 November 2024

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Interview Directory 

ENVIRONMENT

Name: Dr. Katrin Schuhen

Beruf: Chemikerin, Professorin, Autorin, Gründerin Wasser 3.0

"Nachdem ich mich mehr mit dem Begriff Rebellion beschäftigt habe, denke ich, dass eine Rebellion auch auf vernünftige Art und Weise passieren kann.“


AM: Frau Dr. Schuhen, warum bezeichnen Sie sich als „Rebellin des Wassers“?


Dr. Schuhen: Den Titel gab habe ich mir nicht selbst gegeben. Er erstand im Laufe der Jahre, denn ich werde in der Wasser-Community oft als rebellisch wahrgenommen, weil wir Dinge anders angehen. Ich spreche die Dinge an und stelle viele Fragen. Auch Fragen, auf die es oft noch keine schlüssigen oder fundierten Antworten gibt. Rebellion und Rebellinnendasein kann auf vernünftige Art und Weise, ohne Waffen und Gewalt, passieren und gelebt werden. Mittlerweile kann ich mich mehr mit dem Titel identifizieren.


Und mit Blick zurück. Schon zu Schulzeiten war ich rebellisch und meine Eltern hatten viel mit mir zu tun. Als rebellisch wurde empfunden, dass ich von der Musikerlaufbahn auf das Naturwissenschaftliche wechselte, danach in die Forschung, Abschluss Doktorarbeit. Dann in die Industrie. Nach meinen vier Jahren in der Industrie machte ich den ersten Cut. Zurück an die Uni, zurück in den Wissenschaftsapparat Als Juniorprofessorin für Organische und Ökologische Chemie. Nachdem ich sechs Jahre lang geforscht hatte, machte ich erneut einen Schnitt und gründete mein gemeinnütziges Unternehmen.


„Das Wissen, das teilen wir. Wir geben es weiter, denn wir brauchen überall Wasser ohne Mikroplastik, nicht nur da, wo das Geld sitzt, sondern auch in den Regionen mit weniger finanziellen Mitteln und oft weitreichenderen Problemen.“


Welche Dimensionen hat Ihre Erfindung für die Menschheit?


Rein gesehen von einem datengetriebenen "detect, remove, reuse“ ist meine Lösung für Wasser ohne Mikroplastik mehrdimensional und dazu viel schneller als bisherige Verfahren. Bei Wasser 3.0 sorgen wir für Handlungsbeschleunigung und das auf allen Ebenen. Hand in Hand mit den Menschen. Wir liefern Hilfestellung für nachhaltige Prozessoptimierung, für den besseren Umgang mit Wasser, liefern ökologisch, ökonomisch und sozial-verträgliche Lösungen. Die Industrie braucht diese Unterstützung, um mit sauberem Wasser nachhaltig agieren zu können – wir helfen dabei die Wissenslücken zu schließen. Und das Wissen, das teilen wir. Wir geben es weiter, denn wir brauchen überall Wasser ohne Mikroplastik, nicht nur da, wo das Geld sitzt, sondern auch in den Regionen mit weniger finanziellen Mitteln und oft weitreichenderen Problemen. Die Dimension, mit der wir es zu tun haben, ist eine globale, denn es geht um sauberes Wasser.


„Das Dilemma bei Mikroplastik ist, dass es keine Grenzwerte gibt. Deshalb wird ein Handeln nicht forciert.“


Welches sind jetzt Ihre Partner für Wasser 3.0?


Wir haben im politischen Umfeld einzelne Parteien, die in den Entscheidungsgremien sitzen und die wir mit wissenschaftlichen Daten versorgen, damit man überhaupt zu Grenzwerten kommen kann. Das Dilemma bei Mikroplastik ist, dass es keine Grenzwerte gibt. Deshalb wird Handeln nicht forciert. 


Beispielsweise in den Kunststoff-verarbeitenden oder recycelnden Unternehmen spielt Mikroplastik noch eher eine untergeordnete Rolle. Das liegt daran, dass es keine Gesetze und Regulationen gibt. Hier steht der teils sehr hohe Frischwasserverbrauch und dessen Verringerung im Vordergrund. Das geht einher damit, dass man verschmutztes Wasser nicht einfach in die Umwelt, bzw. zur nächsten Kläranlage gibt, sondern kreislaufwirtschafltiche Prozessströme installiert, also Wasser im Kreislauf fährt. Wir arbeiten mit den Industrien an ihren Stoff-Kreisläufen, nicht nur Wasser, sondern auch Abfall, mit dem Ziel Wiederverwendung. Und dann gibt es ja noch die kommunalen Kläranlagen, denen wir helfen die Datenaufzeichnung zu Mikroplastik auf sichere Füße zu stellen. 

Technik für Wasser 3.0 ©Wasser 3.0

Das steckt im Grundwasser: Plastikverklumpungen ©Wasser 3.0

„Es gibt große Industrien wie kleine Industrien, und alle agieren noch unter dem Deckmantel des Schweigens.“


Viele Industrien wollen wissen, was man tun kann. Typische Fragen sind: Wie kann man Wasser wiederverwenden und Mikroplastik und weitere Schadstoffe entfernen? Sie wollen wissen, ob das bezahlbar ist. Es gibt große Industrien wie kleine Industrien, aber die meisten möchten gerne unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit agieren. Das Signal ist jedoch ganz klar: Sie möchten sich heute schon auf morgen vorbereiten, auf den Moment, wenn Gesetze und Regulationen eingesetzt werden und die Prozesse auf alle Nachhaltigkeitskriterien detaillierter geprüft werden. 


„Deshalb bieten wir den Branchen, die zu uns kommen an, eine Geheimhaltungserklärung zu unterschreiben.“


Deshalb bieten wir den Branchen, die zu uns kommen an, eine Geheimhaltungserklärung zu unterschreiben. Wir wollen diese Hürde nehmen, die Angst nehmen und sagen, wir sind hier, um zu helfen und nicht um Ihnen Geld aus der Tasche zu ziehen.


„Wir wissen nicht einmal, wo die Hotspots für Mikroplastik sind und wer dafür verantwortlich ist.“


Was ist die aktuelle Situation und was fordern Sie?


Bei der Mikroplastikkonzentration in der Umwelt haben wir keine flächendeckende Datenerhebung. Das heißt, wir wissen aktuell nicht, wo die Hotspots für Mikroplastik sind und wer dafür verantwortlich ist. Wir wissen, dass wir überall Mikroplastik finden, aber bei den Herkünften herrscht Unklarheit. Reifenabrieb und Textilien sind Quellen von Mikroplastik Typ B in der Umwelt, also Mikroplastik, welches in der Nutzungsphase entsteht. Die Hotspots, also die Orte, an denen hohen Konzentrationen von Mikroplastik in der Umwelt gefunden werden, liegen jedoch an anderen Stellen. Beispielweise in den kommunalen Kläranlagen und in den Industrien. Im Produktions-, Verarbeitungs- und Recyclingprozess finden sich enorme Mikroplastikkonzentrationen, und das an einem Ort. Nicht diffus, überall verstreut in der Umwelt. 


Die Regulatorik muss vorgeben, dass die industriellen Prozess analysiert und überwacht werden, z.B. wie viel Mikroplastik wird frei und geht in den Kanal. Der Einstieg ist, diesen Prozess zu kontrollieren und das ist auch, was wir fordern. Wir brauchen eine standardisierte Überwachung, damit man vergleichbare Daten bekommt und diese Daten dann für sinnstiftendes Handeln nutzt, an den Orten, wo es Sinn macht. 


„Mikroplastik ist kein Problem, das im Meer entsteht, sondern Mikroplastik entsteht an Land. Wenn wir mit Lösungen angehen, nützt es nichts, das Ganze politisch in einer Ozeandekade zu untersuchen, weil die Konzentrationen so gering sind.“


Es gibt also keinen Grenzwert, keine Zahl?


In den Medien liest man von Trillionen von Mikroplastikartikeln im Meer. Dies ist aber heruntergerechnet rund 1 (ein !) Mikroplastikpartikel pro Liter. Mikroplastik ist kein Problem, das im Meer entsteht, sondern Mikroplastik entsteht an Land. Wenn wir mit Lösungen angehen, nützt es nichts, das Ganze politisch in einer Ozeandekade zu untersuchen, weil die Konzentrationen so gering sind. Es gibt unglaublich viele Partikel, aber wir haben auch unglaublich viel Wasser im Ozean. In den Flüssen z.B. im Rhein und kleineren Flüssen gehen wir von zwischen 10 bis 100 Partikeln pro Liter aus. Wenn wir noch weiter zurückgehen in die kommunalen Abwassersysteme, sind wir bei 1000 Partikeln pro Liter.


Und wenn wir noch einen Schritt weiter zurückgehen in die industriellen Produktionsanlagen, dann finden sich Millionen von Mikroplastikpartikeln in einem Liter Wasser. Wenn man mal alle Daten harmonisieren und auf einen Liter beziehen würde, wird jedem sehr schnell klar, an welchen Stellen man ansetzen muss, um den Anstieg der Konzentrationen im Meer zu verhindern. Nämlich nicht im Meer, sondern in der Industrie.


Das wäre auch das Ziel eines Grenzwertes. Wenn man in der Industrie einen Einleitungsgrenzwert festlegt, also eine Grenzkonzentration, die zu keiner Zeit überschritten werden dürfen, dann muss entweder das Abwasserreinigungssystem genau an dieser Stelle dafür sorgen, dass die Werte eingehalten werden oder der Prozess muss so verbessert werden, dass gar nicht erst Mikroplastik aus dem System ins Abwasser entweicht. Nutznießer wären unsere Seen, Flüsse und das Meer. Denn hier würde man verhindern, dass die Konzentrationen ansteigen. Mit katastrophalen Folgen für Klima, Biodiversität und unsere Gesundheit. 


„In Bezug auf Mikroplastik ist das Meer verloren. Wir haben zu viel Meerwasser, aber es ist eben auch keine Müllhalde.“


Wie stehen Sie zu Ocean Cleanups im Generellen?


In Bezug auf Mikroplastik ist das Meer verloren. Wir haben zu viel Meerwasser, aber es ist eben auch keine Müllhalde. Wir müssen also einfach aufhören, Dinge aus den Augen und aus dem Sinn ins Meer zu kippen, denn es kommt wieder zurück. Im Moment schluckt das Meer relativ viel. Wenn man danach sucht, kann man die Müllberge und die Plastikinseln finden, auch der Meeresboden ist an manchen Stellen übersäht von Plastikmüll. Man muss sich aber immer klar vor Augen führen, das Problem entsteht immer an Land. Entweder innerhalb des Produktdesigns, wenn man auf immer mehr unökologischere Konsumgüter setzt und diese auf dem Markt verbreitet, in den industriellen Produktionsprozessen, aber auch im Konsumverhalten und im Bereich „end-of-life“ von Produkten. Handlungsmöglichkeiten gibt es viele. 


Welche Auswirkungen hat Mikroplastik auf den Körper?


Mikroplastik hat bereits nachgewiesenermaßen direkte Auswirkungen negative Auswirkungen auf uns und unsere Umwelt. Je kleiner die Partikel sind, umso höher ist das Risiko. Wenn die Partikel erstmal die Bluthirnschranke übertreten, gibt es viele individuelle Reaktionen, von Organismus zu Organismus verschieden. Wenn Tiere Mikroplastik mit Nahrung verwechseln, können sie sterben, weil sie es nicht verstoffwechseln können. Bei Menschen können Krankheiten wie Alzheimer auftreten und diverse Krebsarten entstehen. Es geht nicht darum, dass wir Tausende, Zehntausende von Partikel essen, trinken oder einatmen müssen, bis dass wir eine gesundheitliche Beeinträchtigung spüren. Es kann sein, dass uns schon ein einziger Mikroplastikpartikel krank macht. 


Hinzukommt, dass Mikroplastik auch ein Transportvektor ist. Das bedeutet soviel, dass der Partikel Stoffe aufnehmen oder Stoffe abgeben kann. Transportiert werden können unter anderem Weichmacher, Bisphenol A, Phthalat, organische Substanzen. Diese werden dann bei Aufnahme in den Körper freigesetzt. Auch diese transportierten Chemikalien sind ein Gesundheitsrisiko. 


„Wenn es jedes Mal so lange dauert, bis ein Gesetz verabschiedet wird, dann werden wir wahrscheinlich in 20 Jahren noch keine Grenzwerte haben."


Was ist mit dem Glitzerverbot?“


Das sogenannte Glitzerverbot, das im Oktober 2023 erlassen wurde, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber es müssen noch sehr viele weitere Maßnahmen folgen. Fakt ist, es dauert alles sehr lange, bis dass ein Gesetz verabschiedet, wird. Und meistens machen wir dann einen Schritt, aber oftmals nur einen kleinen. Ich würde mir da mehr Durchschlagskraft und Mut seitens der Politik wünschen. 


„Wir brauchen einen Gesamtwert. Und wenn es diesen Gesamtwert gibt, dann kann man überall auf der Welt das Gleiche machen."


Brauchen Sie Lobbyisten?


Das Gute wäre, wenn wir gar keine Lobby für Klima- und Umweltschutz und den Schutz unserer Lebensgrundlagen bräuchten. Solange aber ökonomische Interessen allem Überwiegen, auch dem Überleben unseres Planeten, solange brauchen wir auch eine Lobby für den Schutz unserer Heimat. Ich bin ein großer Fan von kooperativen Effekten, gemeinschaftlichem Verbessern und transparenter Kommunikation statt greenwashing. 


Garde bei Mikroplastik könnte so viel Gutes passieren, aber es scheitert am gemeinschaftlichen Ziel. Im Moment gibt es beispielsweise viele verschiedene Verfahren, die Mikroplastik nachweisen können, aber jedes Verfahren liefert einen Wert, der mit einem anderen Verfahren nicht vergleichbar ist. Die Analytik-Lobby versucht nun ein Verfahren zu pushen, statt alle Verfahren zu harmonisieren. Es wäre doch viel besser, wenn viele Menschen brauchbare Ergebnisse aufzeichnen würden, die man dann für das gemeinsame Handeln für Wasser ohne Mikroplastik nutzt.


Als Polymerchemikerin weiß ich, wie die Industrie ihre Polymere herstellt und auch analysiert. Und hier sprechen wir von Einzelpolymeren. Schaut man sich die Komplexität hinter Mikroplastik an, so sprechen wir von 200 verschiedenen Polymertypen. Umso wichtig ist, nicht die Konzentration eines Polymers in der Umwelt zu beschreiben, sondern einen Gesamtwert zu beziffern. Der Gesamtwert ist dann auch die Bezugsgröße für den Grenzwert und damit schließt sich der Kreis. 


In einem anderen Interview sprachen Sie von „Game-Changers“, die Sie suchen?


Wir suchen auf der industriellen und kommunalen Ebene nach Partnern, die proaktiv an die Lösungserarbeitung gehen. Es geht um diejenigen, die sagen: Wir wollen unsere Prozesse mikroplastikfrei gestalten, Wasser wiederverwerten und Ressourcen sparen. Wenn diese drei Dinge zusammenkommen, befinden wir uns im echten transformativen Spannungsfeld. Wir rollen den roten Teppich und helfen dabei, dass es immer mehr, auch sichtbare „Game-Changer“ werden. 


„Wir arbeiten nach dem open source Prinzip. Patente werden für alle verfügbar gemacht. Wir wollten uns damit gegen Unternehmen abzuschirmen, die nur ihre eigenen, meist rein ökonomischen Interessen haben.“


Sie haben sich Wasser 3.0 als Patent schützen lassen.


Wir arbeiten nach dem open source Prinzip. Wir teilen unser Wissen, schirmen uns aber trotzdem gegen Unternehmen ab, die nur hinter den eigenen ökonomischen Interessen hinterherjagen. Wir arbeiten gemeinwohlorientiert und wollen den profit-getriebenen Industrieunternehmen zeigen, wie alternative Geschäftsmodelle aussehen. In erster Linie sind wir an der Verbreitung von Lösungen und Wissen interessiert.


Wie agieren Sie dann als Unternehmen und wie können Sie weiter investieren?


Wir bauen unser gemeinnütziges Geschäftsmodell auf den drei Säulen auf. Spenden und Sponsoring, dazu ideeller Zweckbetrieb und wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. Gewinne verbleiben im Unternehmen, werden direkt wieder in Forschung und Bildung investiert. Es gibt keine externen Investoren, wir sind absolut unabhängig. Wir schließen zum Beispiel mit Hilfe der Unterstützer:innen an den Stellen Datenlücken, für die es keine Forschungsgelder gibt, die Gesellschaft aber trotzdem Fragen hat und Antworten fehlen. 


„Ich empfinde mich als Teil der Gesellschaft, denn wir alle brauchen sauberes Wasser. Sauberes Wasser ist ein Menschenrecht und kein Wirtschaftsgut.“


Warum haben Sie das getan? Sie könnten mit Ihrem Patent eine Menge Geld verdienen und dann weiter investieren.


Das ist eine sehr gute Frage. Ich teile die Meinung, dass Wasser ein Menschenrecht ist und kein Wirtschaftsgut sein soll und wir leisten bei Wasser 3.0 unseren gesamtgesellschaftlichen Beitrag. Es geht darum, Dinge aktiv anders zu machen, auch wenn es Durststrecken gibt, manchmal die Energie und Motivation verloren geht, mehr Schulterklopfer als Rückmeldung kommen, als finanzielle Mittel. Jeder spricht von sozial-ökologischer Transformation, neuen gemeinwohlorientierten Geschäftsmodellen und Systemwandel: Wir leben es. Zu 100%.


Schon im Jahr 2020 habe ich festgestellt, dass man eine universitäre Struktur ohne bürokratischen Wasserkopf bräuchte, denn wir wollten weiter forschen, weiter ausbilden, aber wir wollten schnell sein. Mir wurde klar, dass ich einen Verein oder eine gemeinnützige GmbH (gGmbH) gründen müsste, um mein Ziel zu erreichen. Die Wassertechnologie ist ein sehr starker Wirtschaftssektor und schnell findet man sich in einem Haifischbecken wieder. Ist aber Dank Gemeinnützigkeit eher Unikat. Niemand legt sich gerne mit einem gemeinnützigen Unternehmen an.. Das schöne an dieser Unternehmensform ist, dass man als ein kleiner individualistischer Veränderer wahrgenommen wird. Die Betonung liegt auf klein. 


„Gesellschaftliche Wertschöpfung ist entscheidend.“


Für mich sollte meine Erfindung keine persönliche Bereicherung darstellen. Es geht nicht darum, 27 Autos in der Garage und 18 Häuser zu besitzen. Ich bin mit dem zufrieden, was ich habe. Klar wünsche ich mir manchmal eine bessere Work-Life-Balance. Aber wem geht das nicht so. Für mich entscheidend ist die gesellschaftliche Wertschöpfung, nicht der eigene Profit. 


Wie gehen Sie konkret vor, wenn Sie Partner suchen, z.B. Kläranlagen.


Kommunen haben ihre Kläranlagen, die von den Abwassergebühren der Gesellschaft bezahlt werden. Die Kläranlagen sollen zukünftig nachgerüstet werden, was viele Milliarden Euro kosten wird, die dann auf den Steuerzahler in der Gemeinde zukommen. Am Ende steigen die Abwassergebühren. Mehr und mehr befinden wir uns mit den Kläranlagen auf Verursacher-Suche.

Sherlock Holmes-mäßig fragt man sich, wo das am stärksten verschmutzte Abwasser herkommt. Schnell steht man vor den Türen der Industrien, die mit den Kläranlagen verbunden sind. Um die Kläranlagen zu schützen, braucht es proaktives Handeln auf der Verursacher-Ebene. Bei uns Menschen bedeutet das, dass wir versuchen sollten, unsere Haushaltsabwässer nicht übermäßig mit Chemikalien zu belasten, für die Industrien bedeutet es Prozesse zu beleuchten und Im Sinne der Nachhaltigkeit zu optimieren.  


Arbeiten Sie bereits mit Kläranlagen zusammen?


Wir sind in einzelnen Projekten, auch in EU-Projekten unterwegs. Derzeit arbeiten wir auf den Kläranlagen in Landau und auf der griechischen Insel Mykonos. Weiteren Kläranlagen helfen wir bei der Mikroplastik-Analytik, die durch die Verabschiedung der eine EU-Kommunalabwasserrichtlinie zum Handeln aufgefordert werden.


Sind Sie in der Lage, das Wasser aus diesem kompletten, individuellen Abwassersystem zu untersuchen? 


Ja, das Wasser wird durch unsere „Particle Sampling Unit“, einer mobilen Probennahmeeinheit analysiert. Aus dem gesamten Abwasserstrom, der bereits gereinigt wurde, wird eine Probe von 100 Litern genommen. Diese 100 Liter sind die erste Referenz. Wir machen diese Art der Analytik bereits seit mehr als zwei Jahren auf kommunalen Kläranlagen. Die ersten Zahlen sind veröffentlicht. Doch es braucht Kontinuität. Mehr Proben, mehr Klarheit. Daran arbeiten wir mit Hochdruck. 


„Viele Unternehmen filtern und filtern und filtern. Die Probleme aber werden immer größer und größer. Der Prozess immer teurer. Vom Kleinen zum Großen ist die Lösung für das Mikroplastikproblem, denn man macht einfach das Unsichtbare sichtbar.“


Sind das Tests gewesen oder wird ihr Verfahren schon konkret genutzt?


Beides. Auf der kommunalen Kläranlage in Landau in Verbindung mit der vierten Reinigungsstufe, haben wir bereits 2022 begonnen die sogenannte vierte Reinigungsstufe plus zu erarbeiten. Bei der vierte Reinigungsstufe geht es um die Entfernung von Mikroschadstoffen. Das sind die gelösten organisch chemischen Verbindungen, wie Medikamente, Medikamentenrückstände oder Pestizide. Das „plus“ beschreibt zusätzlich die Entfernung von Mikroplastik. Hier testen wir sehr viel und analysieren noch viel mehr, denn nur, wenn man eine fundierte Datenbasis hat, wird das Handeln zielgerichtet und sinnstiftend und nachvollziehbar. 


In der Industrie machen wir Machbarkeitsstudien. Hier wird unsere „Clump & Skim Technologie“ als sogenannte Add-on-Lösung eingesetzt. Das heißt, wir kommen mit unserem Mietmodell an den realen Ort des Geschehens. In einem einfachen Setup, salopp gesagt, Mikroplastik-belastetes Abwasser rein und gereinigtes Abwasser raus, können wir vor Ort direkt zeigen, was möglich ist. Im direkten Austausch mit den Prozessingenieuren geht es immer um die Frage, ob das Verfahren funktioniert und unsere Analytik zeigt, ja, es funktioniert. In dem Moment, in dem die Skepsis gegenüber einem neuen Verfahren und komplett neuem Ansatz weicht und die Zahlen für sich sprechen, bekomme ich immer wieder strahlende Augen. Das Konzept aus vielen kleinen Mikroplastikpartikeln, wenige große Klumpen zu formen ist so einfach und doch muss man es erstmal machen. Und das machen wir. Überall da, wo man uns lässt. 


Haben Sie jetzt schon alle Kommunen in Deutschland erfasst? 


Das wäre großartig, wenn ich das behaupten könnte. Doch für diese flächendeckende Beprobung braucht es in erster Instanz Geld und dann kommt noch der Faktor Zeit. Wir sind schnell, wenn es ums Handeln geht, aber auch wir müssen mit unseren Ressourcen umgehen. Als kleines Team machen wir viel möglich, arbeiten am internationalen Transfer, versuchen auch die nationale Politik zu erreichen. In einzelnen Staaten der EU, angefangen in Slowenien, Italien, Griechenland und Malta passiert viel. Und es geht immer weiter. Wir leisten unsere Beiträge, setzen aber auf die Multiplikation. Denn allein können wir uns und unsere Umwelt nicht retten. 


Heißt das, dass Wasser 3.0 außerhalb Deutschlands bekannter ist als in Deutschland? 


Das kann ich nicht beurteilen. Fakt ist aber, dass die umliegenden Länder schneller in den Austausch und ins Handeln als Deutschland.


„Zu viele andere Baustellen und wohl maximale Überlastung bei der derzeitigen Lage der Nation. Das ist die einzige Erklärung.“


Wie kann das denn bei unserer Regierung sein? 


Zu viele andere Baustellen und wohl maximale Überlastung bei der derzeitigen Lage der Nation. Das ist die einzige Erklärung. Die Politiker können nur das tun, was der 24-Stunden-Tag ihnen erlaubt.


Wie ist es, wenn eine Wissenschaftlerin zur Unternehmerin wird?


Das Beste ist die selbst geschaffene wissenschaftliche Freiheit, die mir das gemeinnützige Umfeld bei Wasser 3.0 liefert. Ohne Reputationsgeschacher. Ohne die permanente Konfrontation mit Neid, Missgunst oder Steinen im Weg. Viele Menschen sind bereits am Wissenschaftssystem gescheitert. Raus aus dieser Bubble war der einzig richtige Weg. Denn was ich jetzt mit Wasser 3.0 habe, lässt sich viel besser mit meiner Einstellung zum Leben und unserer Umwelt vereinbaren. Seit Jahren steigt unser Impact und unsere Handlungsschnelligkeit. Und das Dank meines großartigen Teams, dass jeden Tag Positives leistet für mehr Wasser ohne Mikroplastik. 

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