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Portrait der Autorin ©Simona Stoytchkova
Simona Stoytchkova: „Die Transformationskompetenz ist eine absolute Superpower.“
Simona Stoytchkova beschreibt in ihrem neuen Buch „Die aus dem Osten“ die Kluft zwischen „Ost“ und „West“, die in Deutschland offensichtlich immer noch besteht. Noch heute seien nur etwa 4 % der Spitzenpositionen in der Wirtschaft mit Menschen ostdeutscher Herkunft besetzt. Stoytchkova war zuletzt Board Member und Vorstand der US-amerikanischen State Street Corporation in Frankfurt, TEDx-Speaker und setzt sich für Diversity, Female Empowerment und nachhaltige Führung ein, damit es mehr Spitzenkräfte ostdeutscher Herkunft gibt. Wie kann es sein, dass Menschen, die aus dem ehemaligen Osten kommen, durch die „Rekrutierungsschablone“ fallen? Das sollte nicht so sein, so die Autorin. Ihre Formel heißt Transformationskompetenz, sagt Stoytchkova in einem persönlichen Interview. Durch die Wiedervereinigung erlebten die Ostdeutschen Systemwechsel und Rückschläge, die sie überwinden mussten, um etwas Neues zu schaffen. Diese Transformationskompetenz sei eine absolute „Superpower“ in der heutigen Gesellschaft.
Ein energievoll ermutigendes Buch mit Tipps von jemandem, der bewiesen hat, wie man es an die Spitze schafft. Die „Superpower“ der Transformationskompetenz ist ein Wort, das man sich merken sollte und das bei der Bewertung der Integration von Zugewanderten eine Rolle spielen kann.
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25. September 2024
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„Meine Karriere änderte sich schlagartig, sobald ich verstand dass es fast ausschließlich nicht auf Leistung ankommt, sondern auf viele ganz andere Faktoren, die einem im Plattenbau nie beigebracht werden.“
Frau Stoytchkova, was können wir von ostdeutschen Führungskräften lernen?
Mit einem Wort beantwortet: Transformationskompetenz. Durch die Wende haben Ostdeutsche einen Systemwandel erlebt, wurden damit vor großen Herausforderungen und Ungewissheit gestellt, erlebten im Prozess der Umstellung Rückschläge, welche sie überwinden mussten, um daraus etwas Neues zu schaffen. Transformationskompetenz ist für mich die Kompetenz sich erfolgreich zu transformieren, in dem man konstruktiv an Wandel herangeht, die Menschen mitnimmt, und positiv nach vorne schaut. Die Transformationskompetenz ist in unserer heutigen Gesellschaft und dem herausfordernden Marktumfeld eine absolute Superpower, und wir verschenken als Land viele Potenziale, in dem wir Menschen mit ostdeutscher Herkunft den Zugang zu Elitepositionen versperren, obwohl es genau die Menschen sind, die durch ihre Erfahrungen sich die Transformationskompetenz angeeignet haben.
„Das ist einfach ausgedrückt ökonomischer Wahnsinn, denn wie aus vielen verschiedenen Beraterstudien hervorgeht hat das Diversitätsproblem Deutschlands starke finanzielle negative Auswirkungen auf Investoren, Aktionäre und auch Kunden.“
Weshalb haben Sie Martin Luther Kings Zitat »I have a dream.« gewählt?
Wir haben in Deutschland ein massives Diversitätsproblem. Das ist einfach ausgedrückt ökonomischer Wahnsinn, denn wie aus vielen verschiedenen Beraterstudien hervorgeht hat das Diversitätsproblem Deutschlands starke finanzielle negative Auswirkungen auf Investoren, Aktionäre und auch Kunden. Um Polykrisen erfolgreich zu bewältigen und durch grundlegende Transformation wettbewerbsfähig zu bleiben brauchen wir verschiedene Ansätze, innovative Problemlösungen, und unterschiedliche Fähigkeiten und Kompetenzen - und diese können nicht gegeben sein, wenn alle im Vorstand aus der gleichen sozialen Schicht, die gleiche Bildung und die gleiche Karriere gemacht haben, bevor sie in den Vorstand kommen. Um das zu ändern, brauchen wir echte Chancengleichheit, und die gibt es in Deutschland bedauerlicherweise nicht. Mein "dream" ist es, dass es eines Tages diese Chancengleichheit gibt, ohne Zuweisungen wie Ost/West, sondern gemeinsam vereint in Chancen und Zukunftsstärke.
„Elitepositionen in der Wirtschaft sind mit ca. 4% von Menschen ostdeutscher Herkunft besetzt - wenn wir bedenken, dass ca. 20% Menschen im Osten Deutschlands leben, ist das eine starke Unterrepräsentanz.“
Ist es tatsächlich so, dass Führungskräfte aus dem Osten Deutschlands im Westen immer noch eine Seltenheit sind? Weshalb fallen manche durch die "Rekrutierungsschablone"?
Elitepositionen in der Wirtschaft sind mit ca. 4% von Menschen ostdeutscher Herkunft besetzt - wenn wir bedenken, dass ca. 20% Menschen im Osten Deutschlands leben, ist das eine starke Unterrepräsentanz. Eine Unterrepräsentanz findet sich auch nicht ausschließlich in der Wirtschaft, sondern auch in allen anderen Bereichen unserer Gesellschaft. Viele Führungskräfte mit ostdeutscher Herkunft fallen durch die Rekruitierungsschablone, weil diese bedauerlicherweise immer noch stark auf Stallgeruch, Vitamin B und einen sehr traditionellen Werdegang ausgerichtet ist - alles Aspekte, die sehr viele Menschen ausschließen, insbesondere Menschen mit ostdeutscher Herkunft oder Migrationshintergrund. Dies fand eine Studie des Handelsblatts in der Ausgabe vom 7.2.2024.
„Die Konsequenz davon - meine Eltern verloren sich als Paar und als Individuen.“
Ich war schockiert zu lesen, dass in der Wende 80 % aller Erwachsenen arbeitslos wurden. Das ist ein massiver Bruch in einer Familie.
Absolut. Ich bezeichne es als mein größtes Trauma. Von einem Tag auf den anderen änderte sich alles in unserer Familie - eine damals, aus der Perspektive einer 13jährigen, glückliche Familie, die viel zusammen unternahm, viel zusammen lachte, und fast jeden Abend Brettspiele spielte. Mein Papa verlor kurz nach der Wende auch seinen Job, wir hatten Existenzängste, viele Abende nur Brot, Butter und Salz zum Essen, meine Eltern fingen an sich zu streiten, meine Mama hatte starken Stress, ich habe meinen Papa zum ersten Mal weinen sehen. Die Konsequenz davon - meine Eltern verloren sich als Paar und als Individuen. Wir Kinder haben das alles natürlich zusätzlich zu unserem eigenen Identitätsverlust miterlebt und dabei mitgelitten. Viele von uns waren auch in der Pubertät, was auch nicht die einfachste Phase im Leben ist. Das macht schon sehr viel mit einem, und sich daraus zu transformieren und in die neue Gesellschaft einzuordnen erfordert sehr viel Resilienz und Durchhaltevermögen.
Und welche Rolle spielt ausgerecht eine Barbie bei Ihrer Laufbahn?
Barbie hat mich damals stark inspiriert, und wurde für mich zu einem Symbol der Welt außerhalb unseres Plattenbaus. Das Erscheinungsbild und Präsenz dieser Puppe gab mir Stärke und einen Glauben dass ich, was immer ich mir in den Kopf setze, erreichen kann. Im grauen Plattenbau gab es nicht so viel Inspiration um einen drum herum, und manchmal waren es kleine Dinge, die einen ermutigten. Für mich eben damals dieses Spielzeug. Als ich letzten Sommer den Film Barbie sah, kamen bei mir nostalgische Gefühle auf, die mich letzten Endes durch innere Reflektion dazu brachten, über meine weitere Karrierelaufbahn nachzudenken und mich auf größerer Ebene für andere Menschen einzusetzen. Das erste Produkt, welches daraus entstand, ist mein Buch, womit ich Menschen Mut machen möchte an sich zu glauben und auf ihre ostdeutsche Herkunft und die dazugehörige Transformationskompetenz stolz zu sein. Das nächste Projekt wird mein TEDx talk am Ende des Jahres in Frankfurt sein, wo ich auf großer Bühne darüber sprechen werde, wie Frauen durch Blockchain zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit befähigt werden können, eine wirklich gerechte Teilhabe in unserer Gesellschaft zu haben.
„Zweitens braucht es viel Mut sehr oft die Komfortzone zu verlassen und für Neues offen zu sein bzw. immer neugierig zu bleiben und lebenslang zu lernen.“
Was braucht es, um eine solche Ausnahmekarriere wie Sie zu machen? Auch in mentaler Hinsicht?
Erstens braucht es Hartnäckigkeit, also eine Mischung zwischen Resilienz und Durchhaltevermögen. Zweitens braucht es viel Mut sehr oft die Komfortzone zu verlassen und für Neues offen zu sein bzw. immer neugierig zu bleiben und lebenslang zu lernen. Dabei gilt es sich auf das zu fokussieren, worauf man selbst Einfluss nehmen kann, sich nicht mit anderen zu vergleichen oder gar Neid zu verspüren, und sich auch für die kleine Schritte in Richtung persönliche Zielerreichung zu belohnen und auf sich stolz zu sein. Und drittens braucht es Netzwerk, insbesondere Mentoren und Sponsoren, die einem bei der Karriere unterstützen und in die Spielregeln einführen.
Was für ein Mensch ist denn vorstandstauglich und welches sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Führungseigenschaften?
Vorstände müssen neben der strategischen und operativen Leitung eines Unternehmens auch insbesondere Menschen führen können. Dazu gehört es Menschen zu inspirieren, sie zum eigenen Wachstum zu befähigen, und dabei eine vertrauensvolle Kultur zu schaffen, wo sie zu Höchstleistungen motiviert werden. Das beinhaltet Menschen aktiv zuzuhören und mit ihnen auf Augenhöhe zu kommunizieren, ihnen den Rücken zu stärken, und eine offene Fehlerkultur zu etablieren, wo jeder von jedem lernt. Vorstände benötigen ein starkes Wertegerüst, das sich auf Integrität, Empathie, Respekt, Wertschätzung und ein Stück weit gesunden Humor stützt, der auch die menschliche Seite zum Vorschein bringt. Als Vorstand muss man nahbar sein, und authentisch zeigen, wofür man selbst und auch das Unternehmen mit seiner Strategie steht. Das ist für mich eine zukunftsfähige Vorstandsformel die nicht von der sozialen Herkunft, Geschlecht, Fachexpertise, Bildung, oder absolvierte Karrierelaufbahn abhängt.
Und was sind die schlimmsten Führungseigenschaften?
Da gibt es leider noch zu viele, aber meine persönlichen Favoriten sind - in keiner bestimmten Reihenfolge: Mikromanagement, mangelnde Kommunikation, Ungleichbehandlung anhand subjektiver Kriterien oder das Kleinhalten von Mitarbeiter, Entscheidungsunfähigkeit, fehlende Empathie, Kritikunfähigkeit und Schuldzuweisungskultur, Angst vor Konkurrenz resultierend in fehlender Selbstsicherheit, und eine mangelnde Vision.
Gab es einen besonderen Punkt in Ihrer Karriere, der alles änderte? Gab es etwas, dass Sie lieber anders gemacht hätten?
Es gibt keine Fehler, bei denen ich die Zeit zurückdrehen wollen würde, und es anders machen würde, denn diese Fehler und die dazugehörigen Lernerfahrungen haben mich zu der Person gemacht, die ich heute bin. Wäre ich eine Herzchirurgin würde ich die Frage wahrscheinlich anders beantworten, aber in meiner beruflichen Laufbahn gab es zwar sehr sehr viele Fehler, aber nichts fatales. Meine Karriere änderte sich schlagartig, sobald ich verstand dass es fast ausschließlich nicht auf Leistung ankommt, sondern auf viele ganz andere Faktoren, die einem im Plattenbau nie beigebracht werden.
Was denken Sie, vor welchen Herausforderungen junge Menschen heute stehen? Und jetzt in der aktuellen Situation mit ins Ausland abwandern Firmen, vor welchen Situation stehen junge Menschen und auch die vielen Zugewanderten, die erst Deutsch lernen müssen.
Junge Menschen stehen heutzutage vor starken Herausforderungen - beruflicher sowie auch gesellschaftlicher Natur, und das in einem Umfeld wo die exponentiell wachsende Bedeutung von Technologie für verstärkte Zukunftsängste und Unsicherheit sorgt. Das kreiert schon in jungen Jahren enormen Leistungsdruck und einen harten Wettbewerb. Zusätzlich haben neue Generationen andere soziale und vor allem ökologische Verantwortung, da sie mit den Problemen einer langjährigen fehlhaften Klimapolitik und dessen Konsequenzen immer mehr konfrontiert werden. Die Abwanderung der Firmen ins Ausland sorgt für additionale Unsicherheit in der Karriere, sowie für eine dafür notwendige Flexibilität unter Umständen das Bekannte hinter sich zu lassen und Neues zu erkunden. Zugewanderte, die unsere Wirtschaft sehr dringend braucht, haben zusätzlich das Problem der initialen Sprachbarriere, aber auch der kulturellen Integration und Zugehörigkeit. Deshalb ist es in meinen Augen für unsere Gesellschaft besonders wichtig in zukunftsfähige Bildung, flächendeckende integrative Maßnahmen für Zugewanderte, sowie innovative und nachhaltige Wirtschaftsmodelle zu investieren, um jungen Menschen eine echte Perspektive zu bieten. Nicht weniger wichtig ist mit jungen Menschen zu sprechen, und sie ihre Zukunft mitgestalten zu lassen, wobei auch komplexe Themen angesprochen werden müssen, damit sich junge Menschen auch als gleichwertig in unserer Gesellschaft fühlen und sich nicht von unserer Generation übergangen fühlen.
„ Ultimativ wünsche ich mir, dass mein Buch eines Tages Geschichte ist, und tief in Bücherregale begraben liegt, da es keine Relevanz mehr hat.“
Was hoffen Sie, dass Ihr Buch bei den Lesern bewirkt?
Eine konstruktive Debatte, wo wir unsere gegenseitigen Lebenserfahrungen wertschätzen und uns dies zu einem Perspektivenwechsel führt. Denn nur dann können wir gemeinsam nach Lösungsansätze für ein zukunftsfähiges Deutschland suchen. Ultimativ wünsche ich mir, dass mein Buch eines Tages Geschichte ist, und tief in Bücherregale begraben liegt, da es keine Relevanz mehr hat und jeder sich wundert, warum wir überhaupt jemals in der Vergangenheit mit diesen Themen Potenziale verschwendet haben. Ich habe die Hoffnung nicht verloren - I have a dream!
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