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Benjamin Wittorf: "Die Dichte an Kompetenz, Erfahrung und Kreativitaet, die bei der EURO zusammenkam, war einzigartig."

„A Skyful of Lights“ von Wolfram Lenssen zur UEFA EURO 2024 am Düsseldorfer Schauspielhaus (Juni/Juli 2024). In Kollaboration mit Om Shira ©Benjamin Wittorf


Benjamin Wittorf: "Die Dichte an Kompetenz, Erfahrung und Kreativität, die bei der EURO zusammenkam, war einzigartig."

Die EURO UEFA war nicht nur ein Sportfest, sondern die Stadt verband Fußball mit Kunst und Kultur. Eine der schönsten Inszenierungen war die 3D-Videoperformance auf der glatten weißen Fassade des Schauspielhauses, einem der Wahrzeichen Düsseldorfs, entworfen vom Architekten Bernhard Pfau. Verschiedene Künstler durften die Fläche bespielen, darunter auch der Düsseldorfer Kreative und Dichter Benjamin Wittorf, der hier durch sein Projekt "Überschriften" bekannt ist. In einem exklusiven Interview gibt Benjamin Wittorf auch einen Einblick in die umfangreiche kreative Arbeit und die großen Teams hinter den EURO-Spektakeln.


Unter dem Motto "A Skyful of Lights" wollten die Organisatoren Fußball und Kunst auf besondere Weise miteinander verbinden und eine "Piazza der Begegnung" auf dem Gustaf-Gründgens-Platz schaffen. Das Theater mit seiner geschwungenen Fassade wurde zur Leinwand für eine dreiteilige, multimediale Projektionsshow, initiiert von Regisseur Wolfram Lenssen. Die Werke wurden von Düsseldorfer Künstlern geschaffen: Maria Wintz, Suria Kassimi, Matias Kobolder & Diogo Lanca, Michelle Duong, Wolfgang Horn & Barbara Esser, Tina Reichel, J.U. Lensing, Kristine Tusiashvili, Anna Vilents, Werner Pilli. Neben den Themen Fußball, Palermo und Raum zeichnete sich die Produktion „Überschriften“ durch ihre poetische Ruhe aus. Benjamin Wittorf konnte beobachten, wie seine „Überschriften“ die Besucher berührten - zum Nachdenken und Diskutieren anregten. Die „Überschriften“ sind sogar frei zugänglich, man kann sie täglich per E-Mail abonnieren.

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7. August 2024

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Interview Directory 

DÜSSELDORF

Name: Benjamin Wittorf

Beruf: Autor, Künstler

Wohnort: Düsseldorf

Herr Wittorf, was sind „Überschriften“?


Meine ÜBERSCHRIFTEN sind kurze, prägnante Texte, die zum Innehalten und Nachdenken anregen sollen. In einer von Beschleunigung und Reizüberflutung geprägten Welt setzen sie auf die Kraft poetischer Verdichtung. Jede ÜBERSCHRIFT ist eine Einladung, die eigenen Wahrnehmungs- und Denkgewohnheiten zu hinterfragen und sich auf neue Perspektiven einzulassen. Dabei greife ich Themen auf, die mich selbst bewegen - von Sinnfragen über die Herausforderungen zwischenmenschlicher Beziehungen in einer individualisierten Gesellschaft bis hin zu persönlichen Entwicklungsprozessen.


Die ÜBERSCHRIFTEN sind Denkanstöße, Erinnerungen, manchmal auch Ermahnungen. Oft spiegeln sie unsere natürliche negative Voreingenommenheit wider und weisen auf blinde Flecken in unserem Denken hin. Manchmal sind es amüsante Betrachtungen, meistens aber eher unbequeme Aussagen - immer im Kontext unserer persönlichen Entwicklung. So versuche ich ein Stück weit, individuelle Bedeutungskonstruktionen kritisch zu hinterfragen oder zu neuen Sichtweisen anzuregen.


Wie war es, Ihr Werk auf dem Schauspielhaus projiziert zu sehen? 


Es war ein beeindruckendes Erlebnis, meine ÜBERSCHRIFTEN auf der imposanten Fassade des Düsseldorfer Schauspielhauses zu sehen - im Rahmen von Wolfram Lenssens „A Skyful of Light“ zur UEFA EURO 2024. An mehreren Abenden wurden dort Werke verschiedener Düsseldorfer Künstler:innen gezeigt, und ich hatte die Ehre, mit meinen Texten einen eigenen Termin zu gestalten.


Obwohl es "mein Ding" war und ich die Verantwortung für meine Texte trug, hatte ich gleichzeitig das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein. Die ÜBERSCHRIFTEN waren eingebettet in das Gesamtereignis, untermalt von der Musik von Mr. Shirazy. Als meine Worte dann in riesigen Lettern über die Fassade liefen, war das ein sehr beeindruckender Anblick - auch für mich. Die schiere Größe und Bildgewalt der Projektion hatte fast schon etwas Größenwahnsinniges. Gleichzeitig wurde auf eindrucksvolle Weise erlebbar, was ich mit meiner Arbeit beabsichtige: mitten im Alltag und im öffentlichen Raum Denkanstöße zu geben, Menschen innehalten zu lassen.

Die unmittelbaren Reaktionen des Publikums in der Fan-Zone waren beeindruckend. Da waren neugierige Menschen, die vielleicht gar nicht wegen der Kunst gekommen waren, sondern einfach die tolle Atmosphäre genossen und Spaß an einer guten Show hatten. Zu sehen, wie die ÜBERSCHRIFTEN auch sie berührten, zum Nachdenken und Diskutieren anregten, war für mich eine wunderbare Bestätigung - und ein Ansporn, auch weiterhin mit meiner Kunst nach draußen zu gehen, sichtbar zu sein und möglichst viele und unterschiedliche Menschen zu erreichen.


Wie kam es eigentlich zu dem Projekt? Wer sind die Mitwirkenden?


Nach dem Scheitern eines großen beruflichen Projekts habe ich mich intensiv mit Sinnfragen beschäftigt - und festgestellt, dass ich damit nicht allein bin. In Gesprächen mit Freunden kristallisierten sich existenzielle Themen heraus, die viele Menschen beschäftigen.

Aus meinen Notizen und Reflexionen entwickelten sich dann die ÜBERSCHRIFTEN - kurze, prägnante Texte, die diese Fragen und Gedanken aufgreifen und in poetisch verdichteter Form zum Ausdruck bringen. Das Projekt ist über einen längeren Zeitraum gewachsen, im ständigen Austausch mit Menschen, vor allem aus meinem persönlichen Umfeld, die mich inspiriert und zum kritischen Hinterfragen angeregt haben. Es ist aber kein Gemeinschaftswerk im engeren Sinne, sondern eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit Themen, die mich zutiefst bewegen. Insofern sind die ÜBERSCHRIFTEN mein ganz eigener Ausdruck, meine Art, diese Fragen künstlerisch zu verarbeiten und nach außen zu tragen.

„A Skyful of Lights“ In Kollaboration mit Om Shira ©Benjamin Wittorf

„A Skyful of Lights“ In Kollaboration mit Om Shira ©Benjamin Wittorf

„Letztlich entspringen die ÜBERSCHRIFTEN meiner ganz persönlichen Auseinandersetzung mit unserer komplexen Gegenwart - und der Überzeugung, dass wir immer wieder innehalten und unserer negativen Voreingenommenheiten hinterfragen müssen.“


Haben Sie alle Texte selbst geschrieben? Was sind Ihre Inspirationen?


Ja, die ÜBERSCHRIFTEN sind von mir, auch wenn ich natürlich unbewusste Zitate oder verdichtungsbedingte Ähnlichkeiten nicht ausschließen kann. Schließlich sind sie nicht im luftleeren Raum entstanden, sondern aus meiner Auseinandersetzung mit Literatur, Philosophie, Psychologie und Soziologie, aus Gesprächen und Begegnungen.

Letztlich entspringen die ÜBERSCHRIFTEN meiner ganz persönlichen Auseinandersetzung mit unserer komplexen Gegenwart - und der Überzeugung, dass wir immer wieder innehalten und unserer negativen Voreingenommenheiten hinterfragen müssen. Sie sollen keine Wahrheiten verkünden, sondern Fragen aufwerfen, zum Perspektivwechsel einladen und so dazu beitragen, dass wir uns selbst und einander mit mehr Achtsamkeit, Verständnis und Empathie begegnen.

Wenn sie also dazu beitragen, dass wir uns selbst und einander mit mehr Aufmerksamkeit, Verständnis und Empathie begegnen, dann haben sie schon viel erreicht.


„Es geht mir um eine Art "angewandte Philosophie", die mitten im Leben ansetzt und doch über den Moment hinausweist.“


Sie haben sich von Ihrer früheren Arbeit einer wissenschaftlich abstrakten Arbeit zugewandt?

Das würde ich nicht so sehen. Auch wenn ich mich in meinen ÜBERSCHRIFTEN durchaus empirisch belegter psychologischer Theorien wie der von Jane Loevinger bediene, geht es mir nicht um eine wissenschaftlich abstrakte Arbeit.

Im Gegenteil: Mein Ziel ist es, komplexe Zusammenhänge und Einsichten auf prägnante Momente zu verdichten. Die ÜBERSCHRIFTEN sollen keine theoretischen Abhandlungen sein, sondern Impulse, die direkt ins Hier und Jetzt führen.

Sie sind eine Einladung, innezuhalten und unser Denken, Handeln und Fühlen zu hinterfragen. Statt Antworten zu geben, möchte ich Fragen stellen und zum Dialog anregen.

Insofern stehen die ÜBERSCHRIFTEN für den Versuch, wissenschaftliche Erkenntnisse und persönliche Erfahrungen zusammenzuführen - und in eine Form zu übersetzen, die unmittelbar anspricht und berührt. Es geht mir um eine Art "angewandte Philosophie", die mitten im Leben ansetzt und doch über den Moment hinausweist.


Man kann die Überschriften per Email täglich abonnieren? Wieso tun Sie das?


Ja, mir ist es wichtig, die ÜBERSCHRIFTEN möglichst niederschwellig und direkt zugänglich zu machen. Deshalb biete ich an, sie täglich per E-Mail zu abonnieren. Dahinter steckt die Idee, eine einfache Möglichkeit zu schaffen, regelmäßig Denkanstöße zu bekommen - ohne Ablenkung durch Werbung, Verkaufsgespräche oder andere Störfaktoren. Nur die reine ÜBERSCHRIFT, direkt in die Mailbox. Ein kurzer Impuls, der dazu einlädt, einen Moment innezuhalten und den Gedanken nachzuhängen. Gleichzeitig ist es eine Möglichkeit, die ÜBERSCHRIFTEN in den Alltag zu integrieren, sie zu einem immer wiederkehrenden Fixpunkt zu machen. Ich stelle mir vor, dass die morgendliche E-Mail für manche zu einem kleinen Ritual werden könnte - eine Einladung, den Tag bewusst zu beginnen und vielleicht auch die Dinge anders zu sehen.


Ein wichtiger Aspekt ist für mich auch die Möglichkeit zum Dialog. Wer möchte, kann direkt auf die E-Mail antworten und mit mir in Kontakt treten. Ich freue mich über Rückmeldungen, Fragen, Gedanken - alles, was die ÜBERSCHRIFTEN auslösen. Denn letztlich geht es mir darum, miteinander ins Gespräch zu kommen und voneinander zu lernen. Ohne Agenda, ohne Hintergedanken. Einfach von Mensch zu Mensch.


„Die EURO hat gezeigt, was möglich ist, wenn Kompetenz und Leidenschaft zusammenkommen. Und sie hat - bei allem Wettbewerbsgedanken - etwas von der verbindenden Kraft von Sport und Kunst spürbar gemacht.“


Wie haben Sie eigentlich die EURO UEFA in Düsseldorf erlebt?


Die UEFA EURO 2024 in Düsseldorf war für mich eine beeindruckende Erfahrung - sowohl auf menschlicher als auch auf organisatorischer Ebene. Da war zum einen die unglaubliche Vielfalt: Menschen aus ganz Europa kamen zusammen, Dutzende Sprachen und Dialekte waren zu hören. Es war faszinierend zu sehen, wie der Fußball trotz aller Unterschiede als verbindendes Element wirkte. Beeindruckend war für mich auch die technische Seite - endlich 5G und Kartenzahlung überall! Gleichzeitig bot die Veranstaltung auch spannende Einblicke hinter die Kulissen, in den Apparat der UEFA. Bei der Organisation solcher Veranstaltungen muss man an unzählige Details denken. Und trotz aller Planung geht immer etwas schief. Das hat man auch bei dieser EURO gesehen - vieles ist nicht rund gelaufen.


Für mich persönlich war es eine große Freude und Ehre, meine ÜBERSCHRIFTEN im Rahmen des offiziellen Kulturprogramms „A Skyful of Lights“ präsentieren zu dürfen. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei Wolfram Lenssen und Stephanie Knoblich bedanken - für die Einladung, die Unterstützung und die Möglichkeit, meine Texte an der Fassade des Düsseldorfer Schauspielhauses zu zeigen. Es war ein einmaliges Erlebnis, das sich so schnell nicht wiederholen wird. Besonders beeindruckt hat mich die Vielfalt und Qualität der künstlerischen Beiträge bei „A Skyful of Lights“. An allen Terminen gab es ein VJ-Live-Set von Om Shira („Mr. Shirazy“), der auch verschiedene Künstler:innen mit eigener Musik begleitete. Die Werke sind allesamt von Düsseldorfer Künstler:innen gewesen: Maria Wintz, Suria Kassimi, Matias Kobolder & Diogo Lanca, Michelle Duong, Wolfgang Horn & Barbara Esser, Tina Reichel, J.U. Lensing, Kristine Tusiashvili, Anna Vilents, Werner Pillig und ich, Benjamin Wittorf. Es war großartig, mich mit meinen ÜBERSCHRIFTEN in diese Reihe einzufügen, in einen Dialog zu treten und zu erleben, wie sich unsere unterschiedlichen Ausdrucksformen gegenseitig verstärkten.


Die EURO war für mich eine intensive Zeit des Austausches und der Begegnung. Die Dichte an Fachwissen, Erfahrung und Kreativität, die hier zusammenkam, war einzigartig. Daraus sind nicht nur neue Ideen, sondern auch konkrete Projekte und Kooperationen entstanden. Insgesamt blicke ich auf eine vielschichtige Erfahrung zurück, die mich fachlich und menschlich bereichert hat. Die EURO hat gezeigt, was möglich ist, wenn Kompetenz und Leidenschaft zusammenkommen. Und sie hat - bei allem Wettbewerbsgedanken - etwas von der verbindenden Kraft von Sport und Kunst spürbar gemacht. Das nehme ich als inspirierende Erfahrung mit.

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Landschaftspark Duisburg-Nord (Dezember 2021) Digital von Benjamin Wittorf

Mit freundlicher Genehmigung vom Landschaftspark Duisburg-Nord

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